Qual
Gesellschaft war daran interessiert, sich selbst zu zerstören. Und wenn ein unwissender Tourist sich die katastrophalen Folgen einer anarchistischen Landnahme ausmalen konnte, dann mußten die Bewohner von Stateless längst selbst darüber nachgedacht haben – und zwar tausendmal detaillierter als ich.
Ich breitete die Arme aus, um symbolisch die ganze Insel der Abtrünnigen zu umfassen. »Wenn Sie wirklich glauben, daß die Biotechnik-Konzerne einen Mord riskieren würden, dann sagen Sie mir, warum sie Stateless noch nicht in einen Feuerball verwandelt haben.«
»Seit der Bombardierung von El Nido kommt diese Lösungsmöglichkeit nicht mehr in Frage. Man würde die Unterstützung einer Regierung benötigen, um ein solches Vorhaben durchzuführen – und keine Regierung wäre mehr bereit, sich auf ein solches Spiel einzulassen.«
»Dann vielleicht durch Sabotage. Wenn EnGeneUity nicht etwas aushecken kann, um ihre eigene Schöpfung wieder im Meer versinken zu lassen, dann haben die Beach Boys gelogen.«
»Die Beach Boys?«
»Wenn ich mich recht entsinne, hieß es bei ihnen: ›Kalifornische Biotechniker sind die besten der Welt.‹«
»EnGeneUity verkauft inzwischen eigene Versionen von Stateless im ganzen Pazifik«, sagte Kuwale. »Warum sollten sie ihr bestes Vorführmodell zerstören – ihre beste Werbung, ob sie nun autorisiert ist oder nicht? Sie haben es vielleicht nicht so geplant, aber die Wahrheit ist, daß Stateless sie keinen Cent gekostet hat – solange sich die politischen Vorgänge nicht wiederholen.«
Ich war nicht überzeugt, aber diese Diskussion führte offensichtlich zu nichts. »Wollen Sie mir jetzt Ihre Galerie der potentiellen Attentäter zeigen? Und dann erklären Sie mir sehr genau, was Sie tun werden, wenn ich Ihnen sage, daß ich einen von ihnen gesichtet habe. Denn wenn Sie glauben, daß ich mich an einer Mordverschwörung beteilige – auch wenn sie dem Schutz der Schlüsselfigur dient, selbst hier auf Stateless…«
Kuwale schnitt mir das Wort ab. »Gewaltmaßnahmen stehen außer Frage. Wir wollen diese Leute nur beobachten, Informationen sammeln und den Sicherheitskräften der Konferenz einen Tip geben, sobald wir etwas Beweiskräftiges in der Hand haben.«
Hein Notepad piepte. Hie nahm es aus der Tasche und starrte mehrere Sekunden lang auf den Bildschirm, bis er einige Meter in südliche Richtung davonging. »Dürfte ich Sie vielleicht fragen, was Sie da machen?« erkundigte ich mich.
Kuwale strahlte vor Stolz. »Meine Datensicherheit ist mit dem Globalen Positionssystem verbunden. Die wichtigsten Dateien lassen sich nicht einmal mit dem richtigen Paßwort und der passenden Stimmidentifizierung öffnen, wenn man nicht an der richtigen Stelle steht – die sich von Stunde zu Stunde ändert. Und ich bin der einzige, der genau weiß, wie sich diese Stelle ändert.«
Ich hätte ihn beinahe gefragt, warum er sich statt Orten nicht eine lange Liste von Paßwörtern merkte. Eine dumme Frage. Das GPS war vorhanden, also mußte es auch benutzt werden – und je verzwickter die Sicherheitspläne waren, desto besser, nicht weil es größere Sicherheit garantierte, sondern weil die Komplexität eines solchen Systems längst zum Selbstzweck geworden war. Mit der Technophilie war es genauso wie mit jeder anderen Form von Ästhetik: Es hatte keinen Sinn, nach dem Warum zu fragen.
Kuwale war nur eine halbe Generation jünger als ich, und vermutlich deckten sich unsere Weltanschauungen zu achtzig Prozent – aber hie hatte die Dinge, an die wir gemeinsam glaubten, viel weiter vorgetrieben. Wissenschaft und Technik schienen hie alles gegeben zu haben, was hie sich wünschen konnte – die Flucht vor dem verseuchten Schlachtfeld der Geschlechter, eine politische Bewegung, für die es sich zu kämpfen lohnte, und sogar eine Pseudo-Religion – auf ihre Weise verrückt genug, aber im Gegensatz zu den meisten anderen wissenschaftsnahen Glaubensrichtungen stellte sie keine mühsam zusammengebastelte Synthese aus moderner Physik und irgendeinem staubigen historischen Relikt dar – wie beispielsweise der Quanten-Buddhismus oder die Kirche des Reformierten Jüdisch-Christlichen Urknalls.
Ich beobachtete, wie hie mit der Software spielte und auf irgendeine Konjunktion bestimmter Satelliten und Atomuhren wartete, und fragte mich: Wäre ich glücklicher, wenn ich dieselben Entscheidungen getroffen hätte? Für den Asex – die Rettung vor einem Dutzend vermurkster Beziehungen. Für die
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