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Qual

Qual

Titel: Qual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Kuwale gar nicht mehr von dieser Welt war – der paranoide Mosala-Fan, für den ich hie anfangs gehalten hatte, und vielleicht noch Schlimmeres. Ohne die Möglichkeit, heine Geschichte nachzuprüfen, konnte ich keine unbekannte Form von Vergeltungsmaßnahme gegen irgendeinen Fremden in die Wege leiten, der sich zufällig zum falschen Zeitpunkt in Mosalas Nähe aufhielt. Soweit ich erkennen konnte, handelte es sich um eine Galerie unschuldiger Anhänger der Ignoranzkulte, von denen jemand heimliche Aufnahmen gemacht hatte, nachdem sie mit ihrem Charterflug eingetroffen waren. Die Tatsache, daß es Mosala nicht an persönlichen Feinden mangelte, bewies keineswegs, daß Kuwale ihre Identität kannte – oder daß hie mir in irgendeinem anderen Punkt die Wahrheit gesagt hatte.
    Selbst die Version der AK, die man mir vorgesetzt hatte, klang viel zu vernünftig und sachlich, um wahr sein zu können. Die Schlüsselfigur ist nur irgendein Mensch, ehrlich – unsere Besorgnis um Violet Mosala gründet sich auf ihre vielen anderen guten Eigenschaften. Warum sollte sich jemand die Mühe machen, einen Kult zu erfinden, der einen bestimmten Menschen zur letzten Ursache aller Dinge erhob – um diesen Punkt anschließend als unbedeutend abzutun? Kuwale hatte viel zuviel abgestritten.
    Als ich das Hotel erreichte, war der Vortrag über die MST-Software fast vorbei. Also setzte ich mich in die Lobby und wartete darauf, daß Mosala wieder zum Vorschein kam.
    Je mehr ich darüber nachdachte, desto weniger war ich bereit, irgend etwas von dem zu glauben, was Conroy und Kuwale mir erzählt hatten. Aber ich wußte, daß es Monate dauern konnte, bis ich herausgefunden hatte, worum es den Anthrokosmologisten wirklich ging. Abgesehen von Indrani Lee gab es nur einen einzigen Menschen, der die Antworten vermutlich schon kannte – und ich war es allmählich leid, aus purem Stolz weiterhin unwissend zu bleiben.
    Ich rief Sarah an. Wenn sie sich in Australien aufhielt, war an der Ostküste inzwischen heller Tag, doch auch diesmal bekam ich dieselbe vorprogrammierte Antwort.
    Ich hinterließ eine weitere Nachricht für sie. Ich konnte mich nicht dazu überwinden, mit offenen Karten zu spielen und unverblümt zu sagen: Ich habe meine Stellung bei SeeNet ausgenutzt. Ich habe dir das Projekt weggenommen, und das war falsch. Ich habe es nicht verdient, und es tut mir leid. Statt dessen machte ich ihr das Angebot, an Violet Mosala mitzuarbeiten, in der Rolle, die ihr angemessen schien, und zu den Bedingungen, auf die wir uns einigen konnten.
    Ich trennte die Verbindung und erwartete, nun wenigstens ein gewisses Maß an Erleichterung über diesen verspäteten Wiedergutmachungsversuch zu verspüren. Doch ich empfand lediglich ein starkes Gefühl des Unbehagens. Ich blickte mich in der hell erleuchteten Lobby um, starrte auf die grellen Flecken aus Sonnenlicht auf dem kunstvoll in Gold und Weiß gemusterten Boden – Stateless-spartanisch wie überall – als hätte ich gehofft, daß das Licht durch meine Augen eindrang und den Nebel der Panik in meinem Gehirn lichtete.
    Doch es half nichts.
    Ich hockte da, den Kopf in die Hände gestützt, und verstand nicht, warum ich diese Angst empfand. Die Situation war doch gar nicht so verzweifelt! Ich tappte immer noch im dunkeln, was zu viele Dinge betraf, aber es war schon wesentlich besser als vor vier Tagen.
    Ich hatte schließlich Fortschritte gemacht, nicht wahr?
    Ich konnte mich gerade über Wasser halten.
    Mehr nicht.
    Um mich herum schien sich der Raum auszudehnen. Die Lobby und der sonnenbeschienene Fußboden expandierten – eine infinitesimale Veränderung, aber sie war unmöglich zu übersehen. Ich blickte auf die Uhr meines Notepads, während mir vor Beklemmung schwindelte. Mosalas Vortrag endete in drei Minuten, aber die Zeit schien sich vor mir wie ein unüberbrückbarer Abgrund zu erstrecken. Ich mußte wieder Kontakt mit etwas oder jemandem aufnehmen.
    Bevor ich es mir anders überlegen konnte, ließ ich Hermes eine Verbindung zu Caliban herstellen, das Front-End eines Hacker-Konsortiums. Ein grinsendes androgynes Gesicht erschien, das ständig in fließender Veränderung begriffen war, dessen Züge sich von einer Sekunde auf die andere verwandelten, während es sprach. Nur das Weiß der Augen blieb konstant, als würde jemand durch eine unbegrenzt verformbare Maske blicken.
    »Schlechtes Wetter ist angesagt, Bittsteller. Die Telegraphendrähte sind vereist.« Ein paar Schneeflocken wirbelten

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