Qual
um das Gesicht, das nun grau-blaue Farbtöne annahm. »Nichts ist klar, nichts ist einfach.«
»Erspar mir das Geschwätz.« Ich übermittelte die Nummer von Sarah Knights Kommunikationsanschluß. »Was kannst du mir darüber sagen, für… einhundert Dollar?«
Caliban grinste anzüglich. »Der Styx ist fest zugefroren.« Auf seinen Lippen und Augenwimpern bildete sich Rauhreif.
»Einhundertfünfzig.« Caliban wirkte unbeeindruckt, doch Hermes öffnete ein Transaktionsfenster. Widerstrebend genehmigte ich die Überweisung.
Grüner, unscharfer Text spiegelte sich auf dem Gesicht der Software. »Die Nummer gehört Sarah Alison Knight, australische Staatsbürgerin, N-weiblich, wohnhaft 17E Parade Avenue, Lindfield, Sydney. Geburtsdatum: 4. April 2028.«
»Das weiß ich längst, du nutzlose Fratze. Wo hält sie sich gegenwärtig auf? Und wann hat sie zum letzten Mal persönlich einen Anruf entgegengenommen?«
Der grüne Text verblaßte, und Caliban erschauderte. »Wölfe heulen auf der Steppe. Unterirdische Flüsse verwandeln sich in Gletscher.«
Ich riß mich zusammen, um meine Zeit nicht mit weiteren Beschimpfungen zu vergeuden. »Ich gebe dir fünfzig.«
»Adern aus festem Eis unter dem Fels. Nichts bewegt sich, nichts verändert sich.«
Ich knirschte mit den Zähnen. »Einhundert.« Mein Recherchebudget schrumpfte zusehends, dabei hatte dieses Problem gar nichts mit Violet Mosala zu tun. Aber ich mußte es wissen.
Rötliche Symbole tanzten über graue Haut. Caliban gab bekannt: »Unsere liebe Sarah nahm ihren letzten Anruf – persönlich und unter dieser Nummer – unter der Ortskennung des Stadtzentrums von Kyoto/Japan entgegen. Das war um 10.23.14 Uhr Universal-Zeit am 26. März 2055.«
»Und wo ist sie jetzt?«
»Unter dieser ID-Nummer gab es seit besagtem Anruf keine Net-Verbindung.« Das bedeutete, daß sie niemanden mit ihrem Notepad angerufen und auch keinen Net-Dienst beansprucht hatte. Sie hatte keine Nachrichten verfolgt oder auch nur einen einzigen Drei-Minuten-Musikvideoclip heruntergeladen. Es sei denn…
»Ich gebe dir fünfzig für ihre neue Kommunikationsnummer.«
Caliban nahm das Geld und grinste. »Ein schlechtes Geschäft. Sie hat keine neue Nummer und kein neues Konto.«
»Das wäre alles«, sagte ich matt. »Danke.«
Caliban machte eine erstaunte Miene über meine ungerechtfertigte Höflichkeit und hauchte mir einen Abschiedskuß zu. »Ruf mich jederzeit wieder an, Bittsteller! Und denk daran: Daten sehnen sich nach Freiheit!«
Wieso Kyoto? Die einzige Verbindung, die ich mir vorstellen konnte, war Yasuko Nishide. Und was bedeutete das? Hatte sie nach wie vor eine Dokumentation über die Einstein-Konferenz geplant, allerdings mit einem Konkurrenzbericht über einen Konkurrenztheoretiker? Und war der einzige Grund, weshalb sie nicht nach Stateless gekommen war, Nishides Krankheit?
Aber warum die plötzliche Funkstille? Kuwales angedeutete Schlußfolgerung ergab keinen Sinn. Warum sollte sie in Konflikt mit biotechnischen Interessen geraten sein, nachdem sie die Beschäftigung mit Violet Mosala aufgegeben hatte, zugunsten eines anderen, zweifellos unpolitischen Physikers?
Die Lobby füllte sich mit Menschen, die sich angeregt unterhielten. Ich blickte auf. Der Hörsaal am Ende des Korridors leerte sich. Als Mosala und Helen Wu ihn gemeinsam verließen, ging ich ihnen entgegen.
Mosala strahlte. »Andrew! Sie haben etwas verpaßt! Serge Bischoff hat soeben einen neuen Algorithmus veröffentlicht, mit dem ich Tage an Computerzeit einsparen werde!«
Wu warf ihr einen tadelnden Blick zu. »Nicht nur Sie, sondern wir alle!«
»Natürlich.« Mosala wandte sich in gespieltem Bühnenflüstern an mich. »Helen hat immer noch nicht begriffen, daß sie auf meiner Seite steht, ob es ihr gefällt oder nicht. Ich habe eine Zusammenfassung des Vortrags, falls Sie sehen möchten, was Sie verpaßt haben«, fügte sie hinzu.
»Nein«, entgegnete ich matt. Ich wußte, daß meine Antwort recht unverblümt war, aber ich fühlte mich so distanziert von allem, daß es mir im Grunde gleichgültig war. Mosala musterte mich neugierig, eher besorgt als verärgert.
Wu ließ uns allein. »Haben Sie etwas Neues über Nishide gehört?« fragte ich Mosala.
»Ach ja.« Sie wurde plötzlich ernst. »Wie es aussieht, wird er doch nicht an der Konferenz teilnehmen können. Seine Sekretärin hat sich mit den Organisatoren in Verbindung gesetzt und mitgeteilt, daß er ins Krankenhaus eingeliefert werden mußte.
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