Qual
Es ist wieder diese Lungenentzündung.« Traurig setzte sie hinzu: »Wenn das so weitergeht… ich weiß nicht… Vielleicht setzt er sich ganz zur Ruhe.«
Ich schloß die Augen, als sich der Fußboden plötzlich neigte. Aus großer Ferne fragte eine Stimme: »Ist etwas mit Ihnen, Andrew?« Ich stellte mir vor, wie mein heißes Gesicht kreidebleich wurde.
Ich öffnete die Augen und glaubte endlich zu verstehen, was los war.
»Könnte ich mit Ihnen reden?« fragte ich. »Bitte!«
»Natürlich.«
Schweiß rann meine Wangen hinab. »Verlieren Sie bitte nicht die Beherrschung. Hören Sie sich einfach an, was ich zu sagen habe.«
Mosala beugte sich mit besorgtem Blick vor. Sie zögerte, doch dann legte sie mir eine Hand auf die Stirn. »Sie glühen. Sie müssen sofort einen Arzt aufsuchen.«
Ich schrie sie heiser an: »Hören Sie mir zu! Hören Sie einfach zu!«
Die Leute drehten sich zu uns um. Mosala setzte zu einer wütenden Erwiderung an, doch dann überlegte sie es sich anders. »Reden Sie. Ich höre Ihnen zu.«
»Machen Sie Bluttests, eine komplette… mikropathologische Untersuchung, alles. Sie haben noch keine Symptome, aber… ganz gleich, wie Sie sich fühlen… tun Sie es!… Niemand kann sagen, wie lange die Inkubationszeit dauert.« Ich war klitschnaß vor Schweiß, und ich konnte mich kaum aufrecht auf den Beinen halten. Jeder Atemzug brannte wie Feuer in meinen Lungen. »Was glauben Sie, wie man es machen würde? Mit einer Einsatzgruppe mit Maschinenpistolen? Ich bezweifle… ob vorgesehen war… daß auch ich krank werde… aber das Ding muß irgendwie mutiert sein. Es war auf Ihr Genom programmiert… aber unterwegs muß die Sperre aufgebrochen sein.« Ich lachte. »In meinem Blut. In meinem Gehirn.«
Ich sackte zusammen und ging in die Knie. Mein Körper wurde von einem Krampf geschüttelt, einem peristaltischen Spasmus, der mein Innerstes nach außen kehren wollte. Die Leute um mich herum schrien, aber ich konnte nicht verstehen, was sie sagten. Ich bemühte mich, den Kopf anzuheben – doch als ich es schaffte, blühten in meinem Gesichtsfeld kurzzeitig schwarze und dunkelrote Flecken auf.
Ich gab es auf, dagegen anzukämpfen. Ich schloß die Augen und ließ mich auf die kühlen Bodenfliesen niedersinken.
Im Krankenhaus schenkte ich meiner Umgebung längere Zeit keine Beachtung. Ich warf mich zwischen den verschwitzten und zerknüllten Bettlaken hin und her und verschloß mich der übrigen Welt. Ich wollte nichts von den Leuten wissen, die in meiner Nähe waren, denn im Delirium glaubte ich, bereits alle Antworten auf alle Fragen zu haben.
Ned Landers stand hinter allem. Während unserer Begegnung hatte er mich mit einem seiner geheimen Viren infiziert. Und nachdem ich jetzt so weit gereist war, um ihm zu entfliehen… auch wenn Helen Wu nachgewiesen hatte, daß die ganze Welt nur eine Schleife war und daß alles immer wieder zum selben Punkt zurückführte… nach alledem ging jetzt Landers’ geheime Waffe gegen Violet Mosala, Andrew Worth und alle seine übrigen Feinde los.
Ich war der Qual zum Opfer gefallen.
Ein großer Fidschianer in Weiß piekste mir einen Tropf in den Ellbogen. Ich versuchte ihn abzuschütteln, aber er hielt mich fest. Ich murmelte triumphierend: »Wissen Sie nicht, daß es gar keinen Sinn hat? Es gibt keine Heilung!« Qual war nicht annähernd so schlimm, wie ich es mir vorgestellt hatte. Schließlich schrie ich nicht wie die Frau in Miami, oder? Mir war übel, und ich fieberte, aber ich war überzeugt, daß ich auf dem Weg in eine angenehme, schmerzlose Vergessenheit war. Ich lächelte den Mann an. »Ich bin jetzt für immer fort! Ich bin fortgegangen!«
»Ich glaube kaum«, sagte er. »Ich denke, Sie sind die ganze Zeit dagewesen, und Sie werden zurückkommen.«
Ich schüttelte trotzig den Kopf, doch dann schrie ich vor Überraschung und Schmerz auf. Meine Gedärme hatten sich verkrampft, und ohne daß ich etwas dagegen tun konnte, entleerte ich ihren Inhalt in eine Schüssel, deren Vorhandensein ich bislang noch gar nicht gewußt hatte. Ich wollte aufhören. Aber ich konnte es nicht. Doch es war gar nicht die Inkontinenz oder die Konsistenz, die mich entsetzte. Das war kein Durchfall, sondern Wasser.
Die Darmbewegungen ließen irgendwann nach, aber ich zitterte immer noch.
Ich wollte eine Erklärung. »Was ist mit mir los?«
»Sie haben Cholera. Eine therapieresistente Form. Wir haben das Fieber und den Flüssigkeitsverlust unter Kontrolle, aber wir
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