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Qual

Qual

Titel: Qual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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müssen der Krankheit ihren Lauf lassen. Machen Sie sich auf einen längeren Aufenthalt gefaßt.«

 

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19

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    Als die erste Fieberwelle abebbte, versuchte ich mir über meine Situation klarzuwerden und mich nüchtern den Tatsachen zu stellen. Ich war kein kleines Kind und auch kein Greis. Ich litt nicht unter Mangelernährung oder Parasitenbefall, mein Immunsystem war in Ordnung, und es gab auch keine anderen kritischen Faktoren. Ich wurde von qualifizierten Leuten behandelt. Mein Zustand wurde pausenlos von intelligenten Maschinen überwacht.
    Ich versuchte mich davon zu überzeugen, daß ich nicht sterben würde.
    Das Fieber und die Übelkeit, die keine Symptome der ›klassischen‹ Cholera waren, bedeuteten, daß ich mir den Mexico-City-Biotyp eingefangen hatte – der erstmals im Anschluß an das Erdbeben von 2015 aufgetreten war und sich seitdem global ausgebreitet hatte. Das Virus befiel die Eingeweide und den Blutkreislauf, wodurch es ein größeres Spektrum an Symptomen erzeugte und eine größere Gefährdung der Gesundheit darstellte. Trotzdem überlebten jährlich Millionen von Menschen die Krankheit, häufig unter viel ungünstigeren Umständen – ohne Antipyretika zur Kontrolle des Fiebers, ohne intravenöse Elektrolyten und ohne jegliche Medikamente – womit die Therapieresistenz zu einem rein theoretischen Faktor wurde. In den Krankenhäusern der Metropolen wie Bombay oder Santiago ’S konnte der betreffende Stamm von Vibrio cholerae vollständig sequenziert werden, worauf sich innerhalb von Stunden ein neues Gegenmittel entwickeln und synthetisieren ließ. Die meisten Menschen, die mit dieser Krankheit infiziert wurden, besaßen jedoch keinerlei Aussicht, jemals in den Genuß dieser wundersamen Luxustherapie zu kommen. Sie machten einfach den Aufstieg und Niedergang des Bakterien-Imperiums in ihren Körpern mit. Sie kurierten es aus.
    Das konnte ich auch tun.
    Es gab nur einen kleinen Fehler in diesem klaren, optimistischen Szenarium: Die meisten Menschen hatten keinen Anlaß zum Verdacht, daß sie in ihren Eingeweiden eine genetische Waffe herumschleppten, die kurz vor dem Ziel explodiert war. Eine Waffe, die so überzeugend wie möglich einen natürlichen Cholera-Stamm imitierte, doch letztlich darauf programmiert war, diese Tarnung abzuwerfen, um eine gesunde, siebenundzwanzig Jahre alte Frau zu töten, auch wenn sie die beste Versorgung erhielt, die Stateless zur Verfügung stellen konnte.
     
    Der Krankensaal war sauber, hell, geräumig und leise. Während der meisten Zeit war ich von den anderen Patienten abgeschirmt, doch die weißen durchscheinenden Trennwände ließen das Tageslicht herein – und selbst wenn meine Haut zu brennen schien, war die leichte Berührung der strahlenden Wärme, die bis zu meinem Körper vordrang, auf seltsame Weise tröstend, wie eine vertraute Umarmung.
    Am späten Nachmittag des ersten Tages schienen die Antipyretika zu wirken. Ich beobachtete die Kurve auf dem Monitor neben dem Bett. Meine Temperatur war immer noch pathologisch, aber die unmittelbare Gefahr einer Gehirnschädigung war vorbei. Ich versuchte, etwas Flüssiges zu schlucken, doch ich behielt nichts bei mir. Also befeuchtete ich nur meine spröden Lippen und den Gaumen, während der intravenöse Tropf für alles weitere sorgte.
    Gegen die Darmkrämpfe gab es kein Mittel. Wenn sie kamen, war es wie eine dämonische Besessenheit, als würde ich von einem Voodoo-Gott beherrscht – eine intime und obszöne Umklammerung durch etwas Mächtiges und Fremdes, das sich in meinen Eingeweiden wand. Ich konnte nicht fassen, daß irgendein Muskel in meinem ausgezehrten Körper noch so kräftig sein sollte. Ich bemühte mich, ruhig zu bleiben, jeden brutalen Krampf als unvermeidbar hinzunehmen und meinen Geist auf das sichere Wissen zu richten, daß all dies irgendwann vorbeigehen würde, doch jedesmal schwemmte die Übelkeit meinen mühsam errichteten Damm des Stoizismus fort, wie eine Strandburg, wenn die Flut kam. Am Ende zitterte und schluchzte ich und war überzeugt, daß ich endlich starb, während mir nur halb bewußt wurde, daß es genau das war, was ich mir am meisten wünschte: eine schnelle Erlösung.
    Mein Melatoninpflaster hatte man entfernt, denn der abgrundtiefe Schlaf, den es erzeugte, war in dieser Situation zu gefährlich. Ich konnte immer noch nicht unterscheiden, was auf die unregelmäßigen Phasen des Melatonin-Entzugs zurückzuführen war und was meinen ansonsten

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