Qual
war mir kaum noch bewußt, daß Buzzo ebenfalls in Gefahr war – und Mosala von zwei Fronten bedroht wurde. Die Extremisten hatten in Kyoto bereits triumphiert, und wer immer mich auf dem Weg von Sydney hierher mit Cholera infiziert haben mochte, hielt sich vermutlich in diesem Augenblick auf Stateless auf und suchte nach einer Möglichkeit, den verpatzten ersten Versuch zu einem erfolgreicheren Ende zu bringen.
De Groot sagte: »Ich werde den beiden sofort dieses Gespräch vorspielen.«
»Und geben Sie auch der Sicherheit eine Kopie.«
»In Ordnung. Sofern das irgend etwas nützt.« Sie schien dem Druck wesentlich besser als ich standhalten zu können. »Bis jetzt noch keine Spur von Helen Wu in Schwimmflossen«, fügte sie trocken hinzu. »Aber ich werde Sie auf dem laufenden halten.«
Wir verabredeten uns zu einem Treffen im Krankenhaus. Ich unterbrach die Verbindung und schloß die Augen, während ich der Versuchung widerstand, mich in den lauernden Opiatnebel zurückfallen zu lassen.
Das AK-Zentrum hatte fünf Tage gebraucht, um ein Gegenmittel für mich einzuschmuggeln, obwohl der Flughafen noch offen gewesen war. Nach allem, was ich durchgemacht hatte, war ich nicht bereit, die Tatsache zu schlucken, daß Mosala jetzt nur noch ein wandelnder Leichnam war. Aber wenn es nicht überraschend zu einer Gegeninvasion durch afrikanische technolibérateurs kam – über eine Distanz von mehr als zehntausend Kilometern und möglichst innerhalb der nächsten zwei Tage – hatte ich keine Hoffnung, daß sie überlebte.
Während sich das Schiff dem nördlichen Hafen näherte, hielt ich neben Akili Wache. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als heine Hand in meine zu nehmen, aber ich befürchtete, daß ich damit alles nur noch schlimmer machte. Wie konnte ich mich zu einer Person hingezogen fühlen, die sich selbst die Möglichkeit des Verlangens chirurgisch hatte entfernen lassen?
Anscheinend war es eine ganz einfache Sache: ein gemeinsames Trauma, eine intensive Erfahrung, das verwirrende Fehlen von geschlechtlichen Hinweisen… insgesamt kein großes Mysterium. Menschen verliebten sich ständig in Asexuelle. Und zweifellos würde es schon sehr bald wieder vorbeigehen, wenn ich die simple Tatsache akzeptiert hatte, daß meine Gefühle niemals erwidert werden konnten.
Nach einer Weile stellte ich fest, daß ich den Anblick heines Gesichts nicht länger ertragen konnte. Es schmerzte zu sehr. Also beobachtete ich die leuchtenden Spuren auf dem Monitor neben dem Bett und lauschte auf jeden flachen Atemzug und versuchte zu begreifen, warum der dumpfe Schmerz, den ich empfand, nicht aufhören wollte.
Wie es hieß, fuhren die Straßenbahnen noch, doch eine Farmerin bot sich an, uns in die Stadt mitzunehmen. »Das ist schneller, als auf eine Ambulanz zu warten«, erklärte sie. »Es gibt nur zehn auf der ganzen Insel.« Sie war eine junge Fidschianerin namens Adelle Vunibobo. Ich erinnerte mich, daß sie auf dem Schiff der AKs in den Frachtraum heruntergeschaut hatte.
Im Führerhaus des Lasters saß Kuwale zwischen uns, halbwach, aber noch immer benommen. Ich beobachtete, wie die farbigen Koralleneinschlüsse während der Fahrt zurückwichen – wie in einer Zeitrafferaufnahme, die die langsame Verfestigung des Riffs veranschaulichen sollte.
»Sie haben da draußen ihr Leben riskiert«, sagte ich.
»Auf See nehmen wir jeden Notruf sehr ernst.« Ihr Tonfall war leicht spöttisch, als würde sie sich über meine respektvolle Art lustig machen.
»Wir hatten Glück, daß es nicht an Land geschah. Aber Sie konnten doch sehen, daß das Schiff nicht in Not war«, insistierte ich. »Die Besatzung sagte, Sie sollten sich zurückziehen und sich um Ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. Und man hat diesen Ratschlägen mit Waffen Nachdruck verliehen.«
Sie warf mir einen neugierigen Blick zu. »Sie glauben also, daß wir leichtsinnig waren? Töricht? Hier gibt es keine Polizei. Wer sonst hätte Ihnen helfen können?«
»Niemand«, gab ich zu.
Sie konzentrierte den Blick auf das unebene Gelände. »Ich selbst bin vor fünf Jahren mit einem Fischkutter gekentert. Wir wurden von einem Sturm überrascht. Meine Eltern und meine Schwester. Meine Eltern verloren das Bewußtsein und ertranken sofort. Meine Schwester und ich verbrachten zehn Stunden im Meer. Wir hielten uns abwechselnd über Wasser.«
»Das tut mir leid. Die Treibhaus-Stürme haben schon viele Opfer gefordert…«
Sie stöhnte. »Ich will Ihr Mitleid nicht.
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