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Qual

Qual

Titel: Qual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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aber auf den ersten Blick schien sich nur wenig geändert zu haben. Es gab keinerlei Anzeichen von Panik, keine Schlangen von Hamsterkäufern, keine verrammelten Geschäfte. Doch als wir am Hotel vorbeikamen, sah ich, daß sich der Karneval der Mystischen Renaissance aufgelöst hatte. Ich war offenbar nicht der einzige Tourist, der den Drang verspürte, sich unsichtbar zu machen. Auf dem Schiff hatte ich gehört, daß bei der Eroberung des Flughafens eine Frau leicht verletzt worden war, doch das übrige Personal hatte einfach ihre Posten verlassen. Munroe hatte von einer Miliz gesprochen, die es auf der Insel gab und die den Invasoren zweifellos zahlenmäßig überlegen war, doch wie es um ihre Ausrüstung, Ausbildung und Disziplin stand, konnte ich nicht beurteilen. Die Söldner schienen sich vorläufig damit zufriedenzugeben, sich im Flughafen zu verschanzen, doch falls ihr Ziel letztlich darin bestand, nicht die Macht zu übernehmen, sondern ›Anarchie‹ nach Stateless zu bringen, hatte ich den bösen Verdacht, daß es sehr bald zu wesentlich unangenehmeren Dingen kommen konnte als der unblutigen Besetzung strategisch wichtiger Positionen.
    Die Atmosphäre im Krankenhaus war ruhig. Vunibobo half mir, Kuwale in das Gebäude zu schaffen. Hie lächelte verträumt und versuchte sich humpelnd vorwärtszubewegen, doch wir zwei mußten unsere ganze gemeinsame Kraft einsetzen, um zu verhindern, daß hie auf die Nase fiel. Prasad Jwala hatte den Scan von Kuwales Schußwunde vorausgeschickt, so daß bereits ein Operationsteam auf hie wartete. Ich sah zu, wie hie hineingeschoben wurde, während ich mir einzureden versuchte, daß ich lediglich dieselbe Besorgnis spürte, die ich für jeden anderen empfunden hätte. Vinibobo verabschiedete sich von mir.
    Nachdem ich eine Weile in der Notaufnahme gewartet hatte, wurde ich unter lokaler Betäubung zusammengenäht. Ich hatte es geschafft, das biotechnische Transplantat umzubringen – das die Heilung beschleunigt und eine gute Versiegelung der Wunde gebildet hätte – doch die behandelnde Medizinerin verschloß die Wunde mit einem schwammigen antibakteriellen Kohlehydrat-Polymer, das sich unter dem Einfluß der Wachstumsprozesse des umgebenden Gewebes allmählich auflösen würde. Sie fragte mich, wie das Loch entstanden war. Ich sagte ihr die Wahrheit, was sie sehr zu erleichtern schien. »Ich hatte mich schon gefragt, ob sich irgend etwas nach draußen gefressen hat.«
    Ich stand vorsichtig auf, während mein Unterleib immer noch betäubt war, doch mein ganzer Körper spürte das Fehlen von Haut und Muskeln. »Sie sollten Ihren Eingeweiden keine anstrengenden Verdauungsvorgänge zumuten«, sagte die Ärztin. »Und vermeiden Sie zu lachen.«
    Ich fand De Groot und Mosala im Vorzimmer der Medizinischen Imaging-Abteilung. Mosala wirkte abgespannt und nervös, aber sie begrüßte mich herzlich, schüttelte mir die Hand und berührte meine Schulter. »Andrew, geht es Ihnen besser?«
    »Ich komme zurecht. Aber die Dokumentation könnte eine kleine Lücke aufweisen.«
    Sie brachte ein Lächeln zustande. »Henry wird gerade untersucht. Meine Daten werden noch ausgewertet. Es könnte eine Weile dauern. Man sucht nach fremden Proteinen, aber es bestehen gewisse Zweifel, ob die Auflösung des Scanners dazu ausreicht. Die Maschine wurde aus zweiter Hand gekauft und ist zwanzig Jahre alt.« Sie schlang die Arme um den Oberkörper und versuchte zu lachen. »Was rede ich da? Wenn ich vorhabe, hier zu leben, sollte ich mich besser an die hiesigen Verhältnisse gewöhnen.«
    De Groot sagte: »Ich habe mich erkundigt, aber niemand hat Helen Wu seit gestern abend gesehen. Die Konferenz-Sicherheit hat ihr Zimmer überprüft: Es ist leer.«
    Mosala schien die Enthüllung über Wus Verrat immer noch nicht verwunden zu haben. »Warum hat sie sich nur mit dem Anthrokosmologen eingelassen? Sie ist auf ihrem Gebiet eine brillante Theoretikerin – aber doch keine pseudowissenschaftliche Mitläuferin! Ich verstehe es, wenn… bestimmte Menschen glauben, daß die Arbeit an der UT etwas Mystisches hat, weil sie feststellen, daß sie nicht in der Lage sind, die Einzelheiten zu verstehen… aber Helen versteht meine Arbeit fast besser als ich selbst!« Ich hielt den Zeitpunkt nicht für günstig, sie darauf hinzuweisen, daß das nur eine Hälfte des Problems war. »Und was diese anderen Schurken betrifft, von denen Sie glauben, daß sie für Yasukos Tod verantwortlich sind… ich werde heute nachmittag

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