Qual
war, denn ich verspürte den starken Drang, in die Öffnung zu greifen, die ich geschaffen hatte, und die Systeme zu betasten, die noch in mir waren: die glatten Windungen der Gedärme, den Schlangendämon, den Kuwales Zaubertrank besänftigt hatte, die warme, blutgetränkte Leber, zehn Milliarden mikrokospische Enzymfabriken, die direkt an den Blutkreislauf angeschlossen waren, eine nicht-lizensierte Pharmaeinheit, die alles produzierte, was die chemische Intuition verlangte. Ich wollte jedes dunkle und geheimnisvolle Organ eins nach dem anderen ans Tageslicht zerren und sie alle vor mir in der korrekten Anordnung arrangieren, bis ich nur noch eine Hülle aus Haut und Muskeln war und endlich meinem internen Zwilling gegenüberstand.
Nach etwa fünfzehn Minuten begannen die Enzymfabriken schließlich damit, die Opiate in meinem Blut abzubauen, und ich schwebte allmählich aus meinem zuckersüßen Himmel zu Boden. Ich bat um ein Notepad, Jwala brachte mir eins und ging dann, um an Deck zu helfen.
Es gelang mir sofort, zu Karin De Groot durchzukommen. Ich hielt mich an die wesentlichen Fakten. De Groot hörte mir schweigend zu. Offenbar verlieh mein Aussehen der Geschichte einen gewissen Grad an Glaubwürdigkeit. »Sie müssen Violet überreden, in die Zivilisation zurückzukehren. Selbst wenn sie nicht glaubt, daß sie in Gefahr ist – was hat sie schon zu verlieren? Sie kann ihren abschließenden Vortrag problemlos von Kapstadt aus halten.«
»Glauben Sie mir«, sagte De Groot, »sie wird jedes Wort von Ihnen ernst nehmen. Vergangene Nacht starb Yasuko Nishide. Es war eine Lungenentzündung – und er war sehr geschwächt –, aber Violet ist immer noch tief erschüttert. Und sie hat die Cholera-Genom-Analyse gesehen, die von einem angesehenen Labor in Bombay durchgeführt wurde. Aber…«
»Also werden Sie mit ihr zurückfliegen?« Nishides Tod machte mich traurig, doch daß Mosala ihre Selbstgefälligkeit verloren hatte, war eine gute Neuigkeit. »Ich weiß, daß es riskant ist. Sie könnte im Flugzeug krank werden, aber…«
De Groot unterbrach mich. »Hören Sie zu! Wir hatten einige Probleme, während Sie fort waren. Niemand fliegt irgendwohin.«
»Warum? Was für Probleme?«
»Ein Schiff voller… Söldner, ich weiß nicht… traf vergangene Nacht auf der Insel ein. Sie haben den Flughafen besetzt.«
Jwala war zurückgekehrt, um nach Kuwale zu sehen. Er hörte den letzten Teil des Gesprächs mit und warf verächtlich ein: »Agents provocateurs. Alle paar Jahre kreuzen irgendwelche Idioten in Designer-Tarnanzügen auf, um Schwierigkeiten zu machen… und wenn sie gescheitert sind, verschwinden sie wieder.« Er klang ungefähr so besorgt wie der Bürger einer gewöhnlichen Demokratie, der sich über die wiederkehrende Unruhe während eines Wahlkampfs beschwerte. »Ich habe gesehen, wie sie in der vergangenen Nacht im Hafen an Land gingen. Sie waren schwer bewaffnet, so daß wir sie durchlassen mußten.« Er grinste. »Aber sie werden ein paar Überraschungen erleben. Ich würde ihnen höchsten sechs Monate geben.«
»Sechs Monate?«
Er zuckte lässig eine Schulter. »Es hat noch nie länger gedauert.«
Ein Schiff voller Söldner, die Schwierigkeiten machen wollten. War es das Schiff gewesen, das die AKs gerammt hatte? Auf jeden Fall mußten Zwanzig und ihre Kollegen am Morgen gewußt haben, daß der Flughafen besetzt war – und daß meine Aussage kaum etwas an Mosalas Überlebenschancen ändern würde.
Die Wahl des Zeitpunkts war extrem ungünstig, aber das überraschte mich nicht. Durch die Einsteinkonferenz hatte Stateless viel zuviel Achtung gewonnen, und Mosalas geplanter Umzug würde zu noch mehr Unannehmlichkeiten führen. Doch EnGeneUity und ihre Verbündeten würden niemals versuchen, sie zu ermorden, weil sie damit nur eine Märtyrerin schaffen würden. Und sie würden es auch nicht riskieren, die Insel im Meer versinken zu lassen, um keine zahlenden Kunden zu verschrecken, die Milliarden von Dollar wert waren. Ihnen blieb nur die Möglichkeit, noch ein letztes Mal zu versuchen, die Gesellschaftsordnung von Stateless zum Zusammenbruch zu bringen – um der Welt zu beweisen, daß das gesamte naive Experiment von Anfang an zum Scheitern verurteilt war.
»Wo ist Violet jetzt?« fragte ich.
»Sie redet mit Henry Buzzo. Sie versucht ihn zu überzeugen, mit ihr ein Krankenhaus aufzusuchen.«
»Gute Idee.« Nachdem ich mich so intensiv mit den Plänen der ›Gemäßigten‹ beschäftigt hatte,
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