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Qual

Qual

Titel: Qual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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lassen, was freilich nicht gelang. Akili drehte den Heizungsregler hoch, und wir legten uns Seite an Seite auf den Schlafsack. Wir blickten uns immer noch in die Augen, doch ohne uns zu berühren. Schließlich streckte ich meine Hand aus und strich zaghaft über heine Schulter, heinen Hals, heinen Rücken.
    »Gefällt es dir?«
    »Ja.«
    Ich zögerte, bevor ich sprach. »Darf ich dich küssen?«
    »Das ist keine gute Idee, glaube ich. Entspann dich einfach.« Hie strich mit heinen kühlen Fingern über meine Wange und ließ heine Hand dann in die Mitte meiner Brust wandern, in die Nähe meines bandagierten Unterleibs.
    Ich zitterte. »Hast du immer noch Schmerzen in deinem Bein?«
    »Manchmal. Entspann dich.« Hie massierte meineSchultern.
    »Hast du das schon einmal… mit einem Nicht-Asexuellen gemacht?«
    »Ja.«
    »Mann oder Frau?«
    »Frau.« Akili lachte leise. »Du solltest dein Gesicht sehen! Hör mal – wenn du kommst, ist das nicht das Ende der Welt. Sie ist auch gekommen. Also werde ich dich nicht angewidert hinauswerfen.« Hie legte eine Hand auf meine Hüfte. »Vielleicht wäre es besser so – damit du lockerer wirst.«
    Ich erzitterte unter heiner Berührung, doch meine Erektion ließ langsam nach. Ich streichelte die glatte Haut, wo sich ansonsten Brustwarzen befunden hätten. Ich suchte mit den Fingerspitzen nach Narbengewebe, ohne etwas zu finden. Akili streckte sich träge aus. Ich massierte hie wieder im Genick.
    »Ich weiß nicht weiter«, sagte ich. »Ich weiß gar nicht, was wir hier machen – oder wohin es führen soll.«
    »Nirgendwohin. Wir können jederzeit aufhören, wenn du möchtest. Wir können uns einfach nur unterhalten. Oder wir können uns unterhalten, ohne aufzuhören. Das ist die Freiheit. Du wirst dich irgendwann daran gewöhnen.«
    »Es ist sehr seltsam.« Wir blickten uns immer noch in die Augen, und Akili schien völlig zufrieden mit der Situation – doch ich hatte das Gefühl, daß ich irgendwie danach streben sollte, alles tausendmal intensiver zu machen.
    »Ich weiß, warum es sich falsch anfühlt«, sagte ich. »Körperliches Vergnügen ohne Sex…« Ich verstummte.
    »Sprich weiter.«
    »Körperliches Vergnügen ohne Sex betrachtet man im allgemeinen als…«
    »Als was?«
    »Das wird dir nicht behagen.«
    Hie versetzte mir einen Stoß in die Rippen. »Spuck es aus.«
    »Infantil.«
    Akili seufzte. »Okay, dann wird es Zeit für einen Exorzismus. Sprich mir nach: Ich schwöre dir ab, Onkel Sigmund, denn du bist ein Scharlatan, ein Rüpel und ein Schwindler. Ein Zerstörer der Sprache und ein Vernichter des Lebens.«
    Ich gehorchte – und dann schlang ich fest die Arme um heinen Körper. Wir lagen mit verschlungenen Beinen da, den Kopf an der Schulter des anderen, und streichelten uns gegenseitig den Rücken. Die ganze nutzlose sexuelle Entladung, die sich seit unserer Zeit auf dem Fischerboot aufgestaut hatte, begann sich endlich zu lösen, und die gesamte Lust entstand durch die Wärme und die unvertrauten Formen heines Körpers, die Beschaffenheit heiner Haut und die Empfindung heiner Gegenwart.
    Und ich fand hie immer noch so schön wie vorher.
    An meiner Zuneigung zu hie hatte sich nichts geändert.
    War es das, wonach ich immer gesucht hatte? Nach asexueller Liebe?
    Es war eine beunruhigende Vorstellung, aber ich dachte in aller Ruhe darüber nach.
    Vielleicht hatte ich mein ganzes Leben lang unbewußt an die Lüge der Edeniten geglaubt, daß eine vollkommene und harmonische moderne Gefühlsbeziehung ausschließlich auf magische Weise von der wohlwollenden Natur kam. Monogamie, Gleichheit, Ehrlichkeit, Respekt, Zärtlichkeit, Selbstlosigkeit – all das war purer Instinkt, pure Sexualbiologie, die sich ungehindert ihren Weg suchte – trotz der Tatsache, daß alle diese Kriterien der Perfektion sich von Jahrhundert zu Jahrhundert, von Kultur zu Kultur immer wieder radikal geändert hatten. Die Edeniten predigten, daß jeder, der dieses leuchtende Ideal nicht erreichte, entweder vorsätzlich gegen Mutter Gaia ankämpfte oder durch eine traumatische Kindheit, die Manipulation der Medien oder die unnatürlichen Strukturen der modernen Gesellschaft verdorben war.
    Der unverwüstliche Fortpflanzungstrieb war in der Tat durch die Zivilisation eingeengt worden. Kulturelle Tabus hatten ihn gehemmt und in eine Form gezwängt, in der er auf vielfältige Weise dem sozialen Zusammenhalt nützlich war. Doch in Wirklichkeit hatte er sich in Zehntausenden von Jahren überhaupt

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