Qual
geopfert. Nur ein paar altertümliche Verhaltensmuster, die tief in meinem limbischen System verwurzelt waren, die durch bestimmte visuelle Reize und Pheromone stimuliert wurden… und das Bedürfnis, gelegentlich kleine Explosionen von endogenen Opiaten in meinem Gehirn auszulösen.«
Ich drehte mich um und erlaubte mir endlich, hie zu betrachten. Hie erwiderte trotzig meinen Blick. Die Operationen waren rundum gelungen, hie wirkte keineswegs unausgewogen oder verunstaltet. Ich hatte nicht das Recht, einen Verlust zu beklagen, der nur in meinem Kopf existierte. Niemand hatte hie mit Gewalt verstümmelt, sondern hie hatte die Entscheidung selbst und mit klarem Verstand getroffen. Ich hatte nicht das Recht, hie mangelnde Gesundheit vorzuwerfen.
Trotzdem war ich immer noch erschüttert und wütend. Ich wollte hie immer noch für das bestrafen, was hie mir vorenthalten hatte.
»Und was hat es dir gebracht?« fragte ich süffisant. »Hat dir die Entfernung der niederen tierischen Instinkte zu einer großen, außergewöhnlichen Erkenntnis verholfen? Sag mir jetzt nicht, daß du dich mit der verlorenen Weisheit der zölibatären mittelalterlichen Heiligen identifizieren kannst!«
Akili verzog grinsend das Gesicht. »Wohl kaum. Aber der Sex verhilft auch niemandem zu irgendwelchen Einsichten, genausowenig wie ein Schuß Heroin, auch wenn die Kultisten ständig von tantrischen Mysterien und der Kommunion der Seelen faseln. Gib einem MR ein oder zwei Magic Mushrooms, und er oder sie wird dir aufrichtig versichern, mit Gott gefickt zu, haben. Denn Sex, Drogen und Religion funktionieren allesamt nach den gleichen simplen neurochemischen Mechanismen. Sie sind suchterzeugend, euphorisierend und berauschend – und allesamt gleichermaßen bedeutungslos.«
Es war eine altbekannte Wahrheit – doch in diesem Augenblick war sie nur schwer zu verdauen. Denn ich hatte immer noch Verlangen nach hie. Und die Droge, von der ich abhängig war, existierte gar nicht.
Akili hob die Hände, als wollte hie mich friedlich stimmen. Hie wollte mir nicht weh tun, sondern nur seine Philosophie verteidigen. »Wenn die meisten Menschen sich entscheiden, weiterhin vom Orgasmus abhängig zu bleiben, dann ist das ihr gutes Recht. Nicht einmal der radikalste Asexuelle würde auch nur im Traum daran denken, irgend jemanden zu zwingen, unserem Beispiel zu folgen. Aber ich möchte nun einmal nicht, daß mein eigenes Leben sich nur um einpaar billige biochemische Tricks dreht.«
»Auch nicht, um dem Vorbild eurer geliebten Schlüsselfigur näher zu sein?«
»Du hast es immer noch nicht verstanden, wie?« Hie lachte erschöpft. »Die Schlüsselfigur ist kein… teleologisches Ziel, kein kosmisches Ideal. In eintausend Jahren wird der Körper der Schlüsselfigur ein genauso veralteter Witz wie deiner und meiner sein.«
Mein Zorn war verraucht. »Es ist mir egal«, sagte ich nur. »Sex kann trotzdem viel mehr sein als nur die Freisetzung endogener Opiate…«
»Natürlich! Es kann eine Form der Kommunikation sein. Aber es kann auch das genaue Gegenteil sein – wenn immer dieselbe Biologie im Spiel ist. Und alles, was ich aufgegeben habe, ist das, was der beste und der schlechteste Sex miteinander gemeinsam haben. Verstehst du das nicht? Ich habe lediglich den überflüssigen Lärm abgestellt.«
Diese Worte ergaben für mich überhaupt keinen Sinn. Ich wandte niedergeschlagen den Blick ab. Und ich wußte, daß der Schmerz, den ich für Sehnsucht gehalten hatte, nicht mehr gewesen war als die blauen Flecken, die mir die Menge auf der Flucht vor dem Kampfroboter versetzt hatte, nicht mehr als das schmerzende Pochen der Wunde in meinem Bauch, nicht mehr als die Last meines Versagens.
Ich hatte jede Hoffnung verloren. »Aber hast du niemals das Bedürfnis nach… körperlicher Berührung?« fragte ich. »Nach Kontakt und Wärme? Möchtest du niemals einfach nur umarmt werden?«
Akili ging auf mich zu und sagte leise: »Ja. Das wollte ich dir die ganze Zeit sagen.«
Ich war sprachlos. Hie legte eine Hand auf meine Schulter und berührte mit der anderen mein Gesicht, bis ich hie wieder ansah. »Wenn du dasselbe willst… wenn es für dich nicht zuwenig ist… und wenn du verstehst, daß sich daraus niemals eine Art von Sex entwickeln kann, dann habe ich…«
»Ich verstehe«, sagte ich.
Ich zog mich schnell aus, bevor ich es mir anders überlegte. Ich zitterte wie ein nervöser Teenager – und wollte meine Erektion durch Willenskraft verschwinden
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