Qual
Es war eine rührende Geste – von beiden – und das mindeste, was ich tun konnte, um mich erkenntlich zu zeigen, war eine Verringerung der Anzahl der Lügen, die er ihr erzählen mußte, damit sie glaubte, etwas Gutes getan zu haben.
Angelos Augen trübten sich ein wenig, als die Substanz diverse Sektionen seines Gehirns ausschaltete. Mir kam die Idee, daß James Rourke ein drittes großes Wort in seine kontroverse Liste aufnehmen müßte: Ehrlichkeit. Freud hatte der westlichen Kultur die merkwürdige Vorstellung aufgehalst, daß die unbedachtesten Äußerungen stets auf magische Weise die wahrsten waren – daß der Denkprozeß nichts hinzufügte und daß das Ego nur zensieren oder lügen konnte. Diese Vorstellung beruhte letztlich nur auf Bequemlichkeit, denn Freud hatte den Teil des Geistes identifiziert, der am leichtesten zu umgehen war – mit Hilfe von Tricks wie der freien Assoziation – und dann all das, was noch übrigblieb, als ›ehrlich‹ erklärt.
Nachdem meine Worte nun chemisch sanktioniert waren und endlich ernst genommen wurden, kam ich direkt auf den Punkt. »Sag Gina, daß ich schon irgendwie zurechtkommen werde. Es tut mir leid, daß ich ihr weh getan habe. Ich weiß, daß ich mich egoistisch verhalten habe. Ich werde versuchen, mich zu ändern. Ich liebe sie immer noch… aber ich weiß, daß es vorbei ist.« Ich hätte gerne noch mehr gesagt, aber im Grunde gab es nicht mehr, was sie wissen mußte.
Angelo nickte bedeutungsschwanger, als hätte ich etwas völlig Neues und Tiefgründiges gesagt. »Ich habe niemals verstanden, warum du dich immer wieder mit deinen Frauen überworfen hast. Ich dachte immer, du hättest einfach nur Pech gehabt. Aber du hast recht: Du bist ein verdammter Egoist. Du bist nur an deiner Arbeit interessiert.«
»Richtig.«
»Was willst du also dagegen tun? Eine neue Karriere anstreben?«
»Nein. Allein leben.«
Er schnitt eine Grimasse. »Aber das ist viel schlimmer. Das macht dich zu einem noch größeren Egoisten.«
Ich lachte. »Wirklich? Willst du mir erklären, wieso?«
»Weil du dich dann nicht einmal mehr bemühst!«
»Und wenn meine Bemühungen nur auf Kosten anderer gehen? Vielleicht habe ich keine Lust mehr, anderen weh zu tun. Vielleicht habe ich beschlossen, es nicht mehr zu tun.«
Diese simple Idee schien ihn zu verblüffen. Er hatte erst spät damit begonnen, Ds zu nehmen; vielleicht benebelten sie sein Gehirn mehr als bei jemandem, der bereits in jungen Jahren eine gewisse Resistenz gegen die Droge erworben hatte.
»Ich habe wirklich geglaubt, ich könnte jemanden glücklich machen«, sagte ich. »Und auch mich selbst. Aber nach sechs Versuchen habe ich wohl bewiesen, daß ich es nicht kann. Also lege ich jetzt den hippokratischen Eid ab: Ich werde von ihnen Schädigung und Unrecht abhalten. Was soll daran verkehrt sein?«
Angelo warf mir einen zweifelnden Blick zu. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß du wie ein Mönch lebst.«
»Du solltest dich entscheiden – zuerst bin ich zu egoistisch, jetzt bin ich zu fromm. Und ich hoffe, du fichst nicht mein masturbatorisches Geschick an.«
»Das nicht, aber es gibt da ein kleines Problem mit sexuellen Phantasien: Sie verstärken das Verlangen mich dem realen Objekt der Begierde.«
Ich zuckte die Achseln. »Ich könnte mich immer noch zu einem neuralen Asexuellen machen lassen.«
»Sehr witzig.«
»Nun, diese letzte Zuflucht steht mir jederzeit offen.« Ich hatte es allmählich satt, dieses dumme Ritual über mich ergehen zu lassen, aber wenn ich ihn zu früh hinauswarf, bestand die Gefahr, daß Gina nicht ausreichend mit seinem Katharsis-Bericht zufrieden war. Die Einzelheiten spielten keine Rolle, denn sie würde ihm gestatten, sie für sich zu behalten, aber er mußte in der Lage sein, mit ehrlicher Miene zu behaupten, daß wir bis in die Morgenstunden unsere Seelen entblößt hatten.
»Du hast immer behauptet, daß du niemals heiraten würdest«, sagte ich. »Die Monogamie sei etwas für die Schwachen. Gelegentlicher Sex sei ehrlicher und besser für alle Betroffenen…«
Angelo lachte, biß jedoch gleichzeitig die Zähne zusammen. »Ich war neunzehn, als ich das sagte. Wie würde es dir gefallen, wenn ich einige deiner wunderbaren Filme aus jener Ära ausgraben würde?«
»Falls du Kopien davon hast… nenn mir deinen Preis.« Es mochte unbegreiflich erscheinen, aber ich hatte vier Jahre meines Lebens – und mehrere tausend Dollar aus diversen Teilzeitjobs – darauf
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