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Qual

Qual

Titel: Qual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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einen Floristen, einen Friseur und einige (nicht-experimentelle) Restaurants. Keine Ruinen. Das Bürozentrum war vor fünfzehn Jahren plattgewalzt worden, um einen künstlichen Wald anzupflanzen. Keine Reklametafeln (obwohl die Werbe-T-Shirts diesen Mangel nahezu kompensierten). An seltenen Sonntagnachmittagen, wenn nichts anderes unsere Zeit beanspruchte, spazierten Gina und ich manchmal ohne besonderen Grund hierher und setzten uns an den Springbrunnen. Und wenn ich von Stateless zurückkehrte – und anschließend acht ganze Monate Zeit hatte, um Violet Mosala an der Konsole in Form zu bringen – würde es mehr von solchen Tagen als seit sehr langer Zeit geben.
    Als ich die Vordertür öffnete, stand Gina im Korridor, als hätte sie auf meine Rückkehr gewartet. Sie wirkte aufgeregt. Außer sich. Ich ging zu ihr und fragte: »Was ist los?« Sie wich zurück und hob die Arme, beinahe als wollte sie einen Angreifer abwehren.
    »Andrew«, sagte sie, »ich weiß, daß es kein guter Zeitpunkt ist. Aber ich habe gewartet…«
    Am Ende des Korridors standen drei Koffer.
    Die Welt schien sich von mir zurückzuziehen. Alles, was mich umgab, schien einen Schritt in den Hintergrund zu treten.
    »Was ist passiert?« fragte ich.
    »Reg dich nicht auf.«
    »Ich rege mich nicht auf.« Das war die Wahrheit. »Aber ich verstehe es nicht.«
    »Ich habe dir immer wieder die Chance gegeben, alles in Ordnung zu bringen«, sagte Gina. »Und du machst einfach weiter, als hätte sich nichts verändert.«
    Etwas Seltsames ging mit meinem Gleichgewichtssinn vor sich. Ich hatte das Gefühl, heftig hin und her zu schwanken, obwohl ich wußte, daß ich völlig ruhig dastand. Gina sah sehr unglücklich aus. Ich streckte ihr die Arme entgegen – als könnte ich sie trösten.
    »Hättest du mir nicht sagen können, daß etwas nicht in Ordnung ist?«
    »Hätte ich es dir sagen müssen? Bist du blind?«
    »Vielleicht bin ich das.«
    »Du bist doch kein Kind mehr! Du bist doch nicht dumm!«
    »Ich weiß wirklich nicht, was ich falsch gemacht haben könnte.«
    Sie lachte verbittert. »Nein, natürlich weißt du es nicht. Du behandelst mich nur wie eine Art… mühsamer Verpflichtung. Wie solltest du nur auf die Idee kommen, damit könnte irgend etwas nicht in Ordnung sein?«
    »Verpflichtung?« sagte ich. »Was meinst du damit? Seit wann behandle ich dich wie…? Meinst du die vergangenen drei Wochen? Du wußtest, wie es ist, wenn ich schneide. Ich dachte…«
    Gina schrie: »Ich spreche nicht von deinem verdammten Job!«
    Ich wollte mich auf den Boden setzen, um mein Gleichgewicht und meine Haltung wiederzugewinnen – aber ich befürchtete, daß sie eine solche Handlungsweise mißverstehen könnte.
    »Bitte steh mir nicht im Weg«, sagte Gina kalt. »Du machst mich nervös.«
    »Was sollte ich deiner Meinung nach tun? Dich gefangennehmen?« Sie antwortete nicht. Ich zwängte mich an ihr vorbei in die Küche. Sie drehte sich um und betrachtete mich, während sie im Türrahmen stand. Ich wußte nicht, was ich zu ihr sagen sollte. Ich hatte keine Ahnung, womit ich anfangen sollte.
    »Ich liebe dich.«
    »Ich warne dich! Fang nicht schon wieder damit an!«
    »Wenn ich einen Fehler gemacht habe, gib mir die Chance, alles wieder in Ordnung zu bringen. Ich werde mir Mühe geben…«
    »Es gibt nichts Schlimmeres als wenn du versuchst, dir Mühe zu geben. Deine Anstrengung ist so verdammt offensichtlich.«
    »Ich dachte, ich hätte immer…« Mein Blick traf ihre Augen, die dunkel, ausdrucksvoll und unglaublich schön waren. Sogar jetzt schnitt ihr Anblick durch alles, was ich dachte und fühlte, und verwandelte einen Teil von mir in ein hilfloses, verknalltes Kind. Aber ich hatte mich trotzdem immer konzentriert, ich hatte ihr stets meine Aufmerksamkeit geschenkt. Wie hatte es dazu kommen können? Welche Anzeichen hatte ich übersehen… wann, wie? Ich wollte genaue Angaben zu Datum, Uhrzeit und Ort.
    Gina wandte den Blick ab und sagte: »Es ist zu spät, um noch etwas zu ändern. Ich habe jemand anderen kennengelernt. Ich treffe mich seit drei Monaten mit ihm. Wenn du wirklich nichts davon bemerkt hast…
    Hättest du einen deutlicheren Hinweis gebraucht? Hätte ich ihn mit nach Hause bringen und vor deinen Augen mit ihm ficken sollen?«
    Ich schloß die Augen. Ich wollte nichts davon hören. Es war ein chaotischer Lärm, der alles nur noch komplizierter machte. »Es interessiert mich nicht, was du getan hast«, sagte ich. »Wir könnten

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