Qual
verwendet, ein halbes Dutzend hochtrabender experimenteller Dramen zu produzieren. Meine Unterwasser- Butoh- Version von Warten auf Godot war möglicherweise das allerschlechteste Produkt der digitalen Video-Ära.
Angelo starrte in plötzlicher Nachdenklichkeit auf den Teppich. »Aber ich habe es wirklich so gemeint. Damals. Die Vorstellung einer Familie…« Er erschauderte. »Es war wie lebendig begraben zu werden. Ich konnte mir nichts Schlimmeres vorstellen.«
»Also bist du doch noch erwachsen geworden. Meinen Glückwunsch.«
Er blickte verärgert auf. »Sei nicht so gehässig!«
»Entschuldigung.« Er schien nicht zu scherzen; offenbar hatte ich einen empfindlichen Nerv getroffen.
»Niemand wird erwachsen«, sagte er. »Das ist eine der gemeinsten Lügen, die im Umlauf sind. Menschen verändern sich. Menschen schließen Kompromisse. Menschen finden sich in Situationen wieder, in die sie niemals hineingeraten wollten… und versuchen dann, das Beste daraus zu machen. Aber erzähl mir nicht, es sei eine Art… vorherbestimmter segensreicher Aufstieg in den Zustand emotionaler Reife. Das ist es nicht.«
»Ist etwas geschehen?« fragte ich unbehaglich. »Zwischen dir und Lisa?«
Er schüttelte entschuldigend den Kopf. »Nein. Alles ist bestens. Das Leben ist wunderbar. Ich liebe sie alle. Aber…« Er wandte den Blick ab, während sich sein ganzer Körper sichtlich anspannte. »Nur weil ich verrückt werden würde, wenn es nicht so wäre. Nur weil ich dafür sorgen muß, daß es funktioniert.«
»Aber das tust du doch. Es funktioniert doch.«
»Ja!« Er runzelte verzweifelt die Stirn, weil ich ihn nicht verstanden hatte. »Und es ist inzwischen auch gar nicht mehr so schwierig. Es ist reine Gewohnheit. Aber… ich habe einmal gedacht, daß da noch mehr sein müßte. Ich dachte, wenn man sich verändert… wenn man die Dinge immer neu einzuschätzen lernt, daß man dann wirklich etwas gelernt hat, daß man die Dinge besser versteht. Aber so ist es ganz und gar nicht. Ich schätze nur das ein, woran ich gebunden bin. Das ist es, das ist die ganze Geschichte. Die Menschen machen aus der Notwendigkeit eine Tugend. Wir sanktionieren die Dinge, denen wir nicht entfliehen können.
Ich liebe Lisa wirklich, und ich liebe auch die Mädchen… aber es gibt keinen tieferen Grund dafür als die Tatsache, daß es im Augenblick das Beste ist, was ich aus meinem Leben machen kann. Ich kann nicht eine einzige der Behauptungen widerlegen, die ich mit neunzehn aufgestellt habe – weil ich es jetzt keineswegs besser weiß. Ich bin nicht klüger geworden. Das ist es, was mich frustriert: all die anmaßenden Lügen, die man uns über das Erwachsenwerden und die Reife erzählt hat. Niemand hat mir gegenüber jemals offen zugegeben, daß ›Liebe‹ und ›Opferbereitschaft‹ einfach nur das sind, was man tut, um nicht verrückt zu werden, nachdem man festgestellt hat, daß man in eine Sackgasse geraten ist.«
»Das ist hirnrissig und krank«, sagte ich. »Ich hoffe, du nimmst keine Ds auf Parties.«
Er wirkte einen Moment lang verletzt, doch dann verstand er, daß ich ihm gerade versprochen hatte, nichts weiterzuerzählen. Wenn er wieder nüchtern war, würde nicht ein einziges Wort über dieses Gespräch über meine Lippen kommen.
Kurz vor Mitternacht begleitete ich ihn zum Bahnhof. Eine warme Brise wehte, und zehntausend Sterne strahlten.
»Viel Glück auf Stateless.«
»Viel Glück bei der Manöverkritik.«
»Ach so. Ich werde Gina sagen…« Er verstummte und runzelte die Stirn wie ein Aphasiker.
»Dir wird schon etwas einfallen.«
»Ja.«
Ich sah dem Zug nach, bis er verschwunden war, und dachte: Letztlich hat sie mir doch geholfen. Ich hatte eine Zeitlang wirklich vergessen, daß wir zu zweit waren. Und sie würde es überleben. Und ich würde es überleben. Und morgen würde ich auf einer Insel im Südpazifik sein… wo ich mich irgendwie durch zwei Wochen mit Violet Mosala hindurchmogeln mußte.
Wieder eine Sackgasse ohne Ausweg.
Konnte ich mehr vom Leben erwarten?
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Zweiter Teil
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9
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Die lebende künstliche Insel Stateless war an einem namenlosen Guyot – einem flachen, erloschenen Unterwasservulkan – mitten im Südpazifik verankert. Auf dem zweiunddreißigsten Breitengrad lag sie außerhalb des Gebietes der polynesischen Nationen im Norden und damit in unbeanspruchten Gewässern. (Von lächerlichen Ansprüchen der antarktischen Siedler abgesehen.) Trotz
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