Qual
trotzdem…«
Sie trat einen Schritt auf mich zu und schrie: »Aber mich interessiert es! Du egoistischer Schwachkopf! Mich interessiert es!« Tränen liefen ihr übers Gesicht. Trotz allem bemühte ich mich immer noch, sie zu verstehen. Ich spürte den Drang, sie festzuhalten; ich konnte immer noch nicht glauben, daß ich der Grund für ihren Schmerz war.
»Schau dich an!« sagte sie verächtlich. »Ich habe dir oben gesagt, daß ich hinter deinem Rücken mit jemand anderem ficke! Ich bin es, die dich verläßt! Und trotzdem schmerzt es mich tausendmal mehr als dich…«
Ich mußte darüber nachgedacht haben, was ich als nächstes tat, ich mußte es geplant haben, aber ich erinnere mich nicht daran, in der Küche nach einem Messer gesucht zu haben. Ich weiß nicht mehr, wie ich mein Hemd öffnete. Aber plötzlich stand ich in der Küche und schnitt mit der Spitze des Messers kreuz und quer über meinen Bauch, während ich ruhig sagte: »Du wolltest doch immer Narben. Hier hast du welche.«
Gina warf sich auf mich und riß mich zu Boden. Ich warf das Messer fort – unter den Küchentisch. Bevor ich wieder auf die Beine kommen konnte, saß sie auf meinem Brustkorb und schlug auf mich ein. Sie schrie: »Du glaubst, daß es schmerzt? Du meinst, es wäre dasselbe? Du kennst nicht einmal den Unterschied, nicht wahr? Nicht wahr?«
Ich lag am Boden und wandte den Blick von ihr ab, während sie auf mein Gesicht und meine Schultern eindrosch. Ich spürte überhaupt nichts, ich wartete nur ab, bis es aufhörte – doch als sie aufstand und ging, als sie leise schniefte, während sie in der Küche umherwankte, wollte ich ihr plötzlich weh tun, sehr weh tun.
»Was hast du erwartet?« sagte ich gleichgültig. »Ich kann nicht auf Kommando weinen wie du. Meine Prolaktin-Werte lassen es nicht zu.«
Ich hörte, wie sie die Koffer durch den Korridor zerrte. Ich hatte eine Vision, wie ich ihr durch die Tür nach draußen folgte, ihr anbot, etwas zu tragen, wie ich ihr eine Szene machte. Doch mein Bedürfnis nach Rache hatte bereits nachgelassen. Ich liebte sie, ich wollte, daß sie zurückkam… doch ich wußte, daß alles, was ich tun konnte, um es ihr zu beweisen, sie mit Sicherheit noch mehr verletzen und es nur noch schlimmer machen würde.
Die Vordertür schlug zu.
Ich rollte mich auf dem Boden zusammen. Ich blutete und biß die Zähne zusammen – nicht nur wegen der Schmerzen, sondern auch wegen des metallischen Blutgestanks und des Gefühls der hilflosen Inkontinenz. Ich wußte, daß die Schnitte nicht tief waren. Ich war nicht rasend vor Eifersucht und Wut geworden und hatte mir eine Arterie durchtrennt. Ich hatte in jedem Augenblick genau gewußt, was ich tat.
Sollte ich mich deswegen schämen? Daß ich die Kücheneinrichtung versaut hatte, daß ich mir den Bauch aufgeschlitzt hatte – oder daß ich sie zu töten versucht hatte? Ich spürte immer noch den Schmerz durch Ginas Verachtung. Auch wenn ich zuvor nie erkannt hatte, was in ihr vor sich ging – eins hatte ich verstanden, als sie mich zu Boden geworfen hatte: Weil ich nicht durch Gefühle überwältigt wurde, weil ich nicht die Beherrschung verloren hatte… war ich in ihren Augen weniger als ein Mensch.
Ich wickelte ein Handtuch um meine oberflächlichen Wunden und erzählte dann der Pharmaeinheit, was geschehen war. Das Gerät summte mehrere Minuten lang und schied dann eine Paste aus Antibiotika, Gerinnungsmitteln und einem kollagenähnlichen Klebstoff aus. Die Masse trocknete auf meiner Haut zu einer festen Bandage.
Die Pharmaeinheit verfügte über kein eigenes Auge, so daß ich vor dem Telefon stand und ihr das Ergebnis unserer gemeinsamen Arbeit zeigte.
Das Gerät sagte: »Vermeide anstrengende Darmtätigkeit. Und versuche, nicht zu sehr zu lachen.«
----
8
----
»Ich wurde gesandt«, sagte Angelo bedrückt.
»Dann solltest du hereinkommen.«
Er folgte mir durch den Korridor ins Wohnzimmer. »Wie geht es den Mädchen?« fragte ich.
»Gut. Sie sind anstrengend.«
Maria war drei, Louise zwei Jahre alt. Angelo und Lisa arbeiteten beide zu Hause – in schalldichten Büros – und wechselten sich mit der Kinderbetreuung ab. Angelo war Mathematiker einer Net-Universität, die ihren offiziellen Sitz in Kanada hatte; Lisa arbeitete als Polymer-Chemikerin für eine Firma, die in den Niederlanden produzierte.
Wir waren seit der Universität Freunde, aber ich hatte seine Schwester nach der Geburt von Louise nicht mehr gesehen. Gina
Weitere Kostenlose Bücher