Qual
geheimsten Kult des Planeten.
Doch wieso hielten sie es für ihre Pflicht, Mosala zu beschützen? Welche Rolle spielten die UT-Spezialisten in den Plänen der Anthrokosmologisten? Waren sie verehrte Gurus? Weltfremde heilige Narren, die durch einen geheimen Kader aus ergebenen Anhängern vor ihren Feinden beschützt werden mußten? Physiker heiligzusprechen wäre einmal etwas anderes als die Ignoranz zur Tugend zu erheben – aber ich konnte mir vorstellen, daß Mosala es noch widerwärtiger fand, wenn man ihr offenbarte, sie sei ein kostbares (aber letztlich naives und hilfloses) Medium für mystische Erkenntnisse, statt ihr zu sagen, daß es ihr an Demut oder Gesundheit mangelte.
Die Nummer 27 war ein einstöckiges Haus aus silbergrauem, granitartigem Riff-Fels. Es war groß, aber keineswegs eine Villa, vielleicht mit vier oder fünf Schlafzimmern. Es paßte irgendwie zu den einsiedlerischen AKs, sich irgendwo in der Vorstadt einzumieten. Das war auf jeden Fall diskreter, als Zimmer in einem Hotel zu buchen, in dem es vor Journalisten nur so wimmelte. Warmes gelbes Licht schimmerte durch die opaleszierenden Fenster, was sicher nicht zufällig einen einladenden Eindruck vermittelte. Ich trat durch das unverschlossene Tor, durchquerte den leeren Hof, wappnete mich und drückte auf die Klingel. Wenn die Mystische Renaissance in Clownskostümen auftrat und in aller Öffentlichkeit von ›phantasiegespeisten Selbst-Erzählungen‹ sprach, war ich mir nicht sicher, ob ich auf einen Kult vorbereitet war, dessen Praktiken nur hinter verschlossenen Türen stattfinden durften.
Mein Notepad stieß ein kurzes, leises Fiepen aus, wie ein Kinderspielzeug, das mit dem Messer aufgespießt wurde. Ich holte es aus meiner Tasche. Der Bildschirm war leer – es war das erste Mal, daß ich ihn so sah. Die Tür ging auf, und eine elegant gekleidete Frau lächelte mich an. Sie streckte mir ihre Hand entgegen und sagte: »Sie müssen Andrew Worth sein. Ich bin Amanda Conroy.«
»Angenehm.«
Ich schüttelte ihr die Hand, während ich immer noch mein Notepad festhielt. Die Frau warf einen Blick auf das Gerät, das keinen Mucks mehr von sich gab. »Es wird keinen Schaden erleiden – aber Sie verstehen sicher, daß das hier inoffiziell bleiben muß.« Sie hatte einen amerikanischen Westküstenakzent und schamlos unnatürliche milchweiße Haut, glatt wie polierter Marmor. Ihr Alter war nicht zu schätzen – irgendwo zwischen dreißig und sechzig.
Ich folgte ihr ins Haus, durch einen Korridor mit Plüschteppich, bis wir das Wohnzimmer erreichten. Es war mit mehreren Wandteppichen behangen – groß, abstrakt und farbenfroh. Für mich sahen sie nach Brasilianischem Pseudo-Primitivstil aus – das Werk einer Schule moderner irischer Künstler – doch ich hatte keine Ahnung, ob sie ›echt‹ waren, also bewußt entlehnte ›Remixes‹ der Ghettokunst von Sào Paulo aus den Zwanzigern, die gegenwärtig zum Hunderttausendfachen des Preises für die Originalvorlagen aus Brasilien gehandelt wurden. Der vier Meter große Wandschirm war gewiß nicht billig, ebenso wie das versteckte Gerät, das mein Notepad in einen nutzlosen Ziegelstein verwandelt hatte. Ich dachte nicht einmal daran, Witness aufzurufen. Ich war nur froh, daß ich die Aufnahmen des heutigen Vormittags bereits auf meine heimische Schnittkonsole überspielt hatte, bevor ich das Hotel verlassen hatte.
Wir schienen allein im Haus zu sein. Conroy sagte: »Nehmen Sie bitte Platz. Kann ich Ihnen etwas anbieten?« Sie trat vor einen kleinen Getränkespender in einer Ecke des Raums. Ich warf einen Blick auf die Maschine und lehnte dankend ab. Es war ein zwanzigtausend Dollar teurer Synthesizer – im Prinzip eine aufgemotzte Pharmaeinheit, die alles von Orangensaft bis zu einem Cocktail aus neuroaktiven Aminen servieren konnte. Daß sich ein solches Gerät auf Stateless befand, überraschte mich, denn ich hatte nicht einmal meine eigene veraltete Pharmaeinheit mitbringen dürfen. Aber da ich die exakten UNO-Vorschriften nicht im Kopf hatte, war ich mir nicht sicher, welche technischen Gerätschaften generell verboten waren und welche nur nicht von Australien exportiert werden durften.
Conroy nahm mir gegenüber Platz und war einen Moment lang nachdenklich, ohne ihre Selbstbeherrschung zu verlieren. Dann sagte sie: »Akili Kuwale ist ein sehr guter Freund von mir und ein wunderbarer Mensch, aber manchmal handelt hie etwas unüberlegt.« Sie lächelte entwaffnend. »Ich kann mir kaum
Weitere Kostenlose Bücher