Qual
ruhig, während hinter ihr die Gleichungen über den Schirm wanderten. Um die Verbindungen aufzuzeigen, um Mosalas Mathematik durch Kurzschlüsse zum Zusammenbruch zu bringen, mußte Wu mehrere völlig neue Theoreme der reinen Mathematik beweisen. Sie alle waren beachtliche Leistungen und für sich genommen bedeutend. (Das war keineswegs meine eigene ungebildete Meinung – ich hatte die Datenbanken nach Zitaten ihrer früheren Arbeiten abgesucht, die die Grundlage für diese Präsentation bildeten.) Und das war für mich das Außergewöhnliche daran: daß eine so umfangreiche und komplexe Neuformulierung von ›X minus X gleich Null‹ überhaupt möglich war. Es war wie ein Seil, das hunderttausendmal ineinander verschlungen war und von dem sich plötzlich herausstellte, daß es gar nicht verknotet war, sondern nur eine einzige Schleife darstellte – kunstvoll arrangiert, aber letztlich mußte man nur einmal daran ziehen, um das Gebilde zu entwirren. Vielleicht war das sogar die bessere Metapher – und in der interaktiven Version konnten die Zuschauer mit Datenhandschuhen hineingreifen und sich selbst davon überzeugen, daß der ›Knoten‹ in Wirklichkeit eine Schleife war…
Natürlich konnte man Mosalas Tensor-Gleichungen nicht einfach packen und daran zerren, um festzustellen, wie sie zusammenhingen. Man mußte den falschen Knoten mit der Kraft des Geistes entwirren (mit Hilfe von Software – aber sie war nicht zu allem imstande). Subtile Fehler schlichen sich immer wieder ein. Und der Teufel steckte im Detail.
Wu beendete den Vortrag und widmete sich den Fragen. Das Publikum war zurückhaltend, denn es gab nur wenige zögerliche Bitten um Erklärung, die weder Anerkennung noch Ablehnung erkennen ließen.
Ich wandte mich an Mosala. »Glauben Sie immer noch, daß sie auf der richtigen Spur ist?«
Sie zögerte, bevor sie antwortete. »Ja.«
Der Hörsaal leerte sich. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, daß die Leute Mosala aufmerksam beobachteten, wenn sie an uns vorbeikamen. Alles war sehr zivilisiert – keine halb ohnmächtigen Teenager, die um Autogramme bettelten – doch ich bemerkte unverkennbare Anzeichen von Anbetung, Ehrfurcht und Bewunderung. Ich erkannte einige Mitglieder des Fanclubs wieder, der auf der Pressekonferenz so deutlich seine Unterstützung zum Ausdruck gebracht hatte. Aber ich hatte immer noch keine Spur von Kuwale entdeckt. Wenn hie sich solche Sorgen um Mosala machte, warum war hie dann nicht hier?
»Was bedeutet das für Ihre UT?« fragte ich. »Wenn Wu recht hat.«
Mosala lächelte. »Es könnte meine Position stärken.«
»Wie? Das verstehe ich nicht.«
Sie blickte auf ihr Notepad. »Das ist ein kompliziertes Thema. Vielleicht können wir morgen ausführlich darüber reden.«
Mittwoch nachmittag: unser erster Interview-Termin.
»Natürlich.«
Wir verließen gemeinsam den Saal. Mosala hatte ganz offensichtlich eine Verabredung, also hieß es für mich: jetzt oder nie. Ich sagte: »Ich sollte sie von etwas in Kenntnis setzen, das ich erfahren habe. Ich weiß nicht, ob es wichtig ist, aber…«
Sie wirkte geistesabwesend, sagte aber: »Sprechen Sie!«
»Als ich am Flughafen eintraf, wurde ich von einer Person namens Akili Kuwale angesprochen.« Sie schien nicht auf diesen Namen zu reagieren, also sprach ich weiter. »Hie behauptete, zum ›Zentrum der Anthrokosmologisten‹ zu gehören, und hie…«
Mosala stöhnte leise auf, schloß die Augen und blieb plötzlich stehen. Dann drehte sie sich zu mir um. »Ich möchte eine Sache unmißverständlich klarstellen. Wenn Sie die Anthrokosmologisten in diesem Beitrag auch nur erwähnen, dann werde ich…«
»Ich habe nicht die Absicht, das zu tun«, unterbrach ich sie schnell.
Sie starrte mich wütend und ungläubig an.
»Glauben Sie, daß sie es zulassen würden, selbst wenn ich die Absicht hätte?« fügte ich hinzu.
Sie ließ sich dadurch nicht beschwichtigen. »Ich weiß nie, was sie als nächstes tun könnten. Was hat diese Person von Ihnen gewollt, wenn hie nicht an einem öffentlichen Forum für heine verrückten Ideen interessiert war?«
Ich legte mir sorgfältig meine Worte zurecht. »Hie schien den Eindruck zu haben, daß Sie in Gefahr sein könnten.« Ich überlegte, ob ich die Gerüchte über eine Emigration nach Stateless ansprechen sollte, aber Mosala stand bereits so kurz vor dem Siedepunkt, daß sich das Risiko meiner Ansicht nach nicht lohnte.
»Nun, die Besorgnis der Anthrokosmologisten rührt mich,
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