Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quantum

Quantum

Titel: Quantum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannu Rajaniemi
Vom Netzwerk:
komplexen Datenstrukturen aus wie die unbegreiflichen Visionen
im alinen . Sie schwebt über einem Knoten aus
unzähligen Linien, die sich in einer Sphäre voller Symbole und
dreidimensionaler Hirnregionen treffen. Die Veränderungen
fanden hier, hier und hier statt. Die Objekte im Inneren der Sphäre
wechseln die Farbe. Mieli berührt die Sphäre, um die Information in sich
aufzunehmen, und beschäftigt sich für einen Moment näher damit.
    »Es ist sein prozedurales Gedächtnis«, sagt sie. »Deshalb würde er
in gewissen Situationen so gesteuert, dass er sich auf eine bestimmte Weise
verhält. Zum Beispiel bei einem Votum für die STIMME .«
    Richtig. Da und dort finden sich auch noch andere
Veränderungen, aber nichts Größeres. Interessant ist, dass wir tatsächlich
zurückverfolgen können, wo die Bearbeitung stattfand.
    Das Schiff hebt eine der Zeilen hervor, die mit dem Knoten verbunden
sind, den sie gerade studieren. Daran hängt noch eine Zusatzinformation:
komplexe mathematische Formeln. Gevulot generiert einen Baum
aus öffentlichen und privaten Schlüsselpaaren: sooft der Nutzer für eine neue
Erinnerung, einen neuen Bereich oder eine neue Erfahrung Gevulot-Rechte
definieren will, wird ein neues Schlüsselpaar erzeugt. Obendrein werden die
Rechte mit dem Paar verschlüsselt, das in der Hierarchie eine Stufe darüber
steht. Der Sinn der Sache ist, dass nur das Individuum Zugriff auf die Wurzel
haben sollte.
    »Abe…«
    Aber es hat den Anschein, als würden auch alle
Wurzeln von einem anderen Paar aus generiert. Ein Hauptschlüssel, wenn du so
willst. Wer immer diese beiden Schlüssel in Händen hält, kann auf jeden
Exospeicher in der Oubliette zugreifen und ihn umschreiben. Für jemanden, der
durch das Schweigen geht, heißt das, sein gesamtes Bewusstsein kann
überschrieben werden. Daher kommen diese neuen Bearbeitungen in Unruhs
Bewusstsein. Die Kryptarchen verfügen offenbar über ein automatisches System,
das jeden verändert, der durch das Schweigen geht.
    »Mutter Ilmatar«, haucht Mieli. »Es wäre also denkbar …«
    – dass sie nach Belieben alle Erinnerungen und
alle Gedanken sämtlicher Personen, die einmal Schweiger waren, ansehen und
verändern können. Natürlich kann eine einzelne Person bei solchen
Informationsmengen niemals den Überblick behalten, deshalb nehme ich an, dass
sie in irgendeiner Form mechanisch aufbereitet werden. Angesichts der doch
recht geringen Veränderungen an Unruhs Bewusstsein würde ich sagen, dass dafür
nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen.
    Letztlich heißt das jedoch, die Oubliette ist
kein Ort des Vergessens. Sie ist kein Himmel der Privatsphäre. Sie ist ein
Gefängnis nach dem Panopticon-Prinzip.
    Es ist lange her. Deshalb versinken wir zunächst in einem heißen
Rausch aus Fleisch und Haut und Lippen, aus Berührungen und Bissen. Sie ist
viel stärker als ich und zeigt das auch ganz ungeniert. Sie spielt auch mit
Mielis Leistungsverstärkern und reizt mich mit einem heißen Quantenpunkt an
ihrer Fingerspitze. Dabei grinst sie wie eine Katze.
    Beim dritten Mal entdecken wir, dass ihre Flügel
berührungsempfindlich sind, und von da an wird es erst richtig spannend.
    »Und was können wir damit anfangen?«
    Nun, gegen den Zugriff auf die Wurzel können wir
nichts machen. Aber – das sagen jedenfalls die Gogols – wir können eine weitere
Verschlüsselungsschicht obendrauf packen. Mit der Piratensoftware können wir
falsche Oubliette-Identitäten erschaffen. Ein paar haben wir schon erzeugt, mit
Schlüsseln, die nicht vom Schlüsselgenerator-Interface der Oubliette kamen.
    »Und?«
    Auf diesem Weg konnten wir Mit-Erinnerungen
erstellen, auf die die Kryptarchen niemals zugreifen können. Jeder, an den wir
sie weitergeben, ist gegen jede Manipulation durch die Kryptarchen immun, ob er
durch das Schweigen geht oder nicht. Sie sind viral: Man kann sie an beliebig
viele Empfänger verbreiten. Und wir haben noch eine zweite Art erstellt, die
alle bereits vorgenommenen Bearbeitungen löscht. Der Dieb hat sogar
vorgeschlagen, sie über eine Zeitung zu veröffentlichen –
    »Moment mal. Was hat der Dieb
vorgeschlagen?«
    Ich habe bereits mit ihm darüber gesprochen. Als
du in der Bar gesungen hast. Die Mathe-Gogols haben das alles wirklich sehr
schnell aus dem Ärmel geschüttelt.
    »Er weiß bereits davon? Hat er die Mit-Erinnerungen?«
    Ja. Das Schiff hält inne. Er hat mich reingelegt, richtig? Dieser Dreckskerl.
    Mieli muss das erst verdauen.

Weitere Kostenlose Bücher