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Quantum

Quantum

Titel: Quantum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannu Rajaniemi
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Schweigern, die ihn begleiten: Ich finde es gut,
wenn Beamte ihre Arbeit ernst nehmen.
    Draußen dämmert ein schöner Tag herauf. Ich setze meine blau getönte
Brille auf und mache mich auf die Suche nach Raymonde.

16   Der Dieb und die Erinnerung
    Ich schicke Raymonde eine Mit-Erinnerung mit der Bitte,
sich an unserem Aussichtspunkt im Park in der Nähe von Montgolfiersville mit
mir zu treffen. Die Antwort kommt prompt: Ich erinnere mich, dass sie dort sein
wird. Ich durchquere das Labyrinth, voll in Gevulot gepackt, und hoffe, dass Perhonens neue Anti-Kryptarchen-Mit-Erinnerung so
funktionieren wird wie geplant.
    Sie ist vor mir da, sitzt mit einer Kaffeetasse aus Tempmaterie auf
unserer Bank und schaut den Ballons zu. Als sie sieht, dass ich allein bin,
zieht sie die Augenbrauen hoch.
    »Wo ist deine oortische Anstandsdame? Wenn du meinst, das wäre
wieder eines von deinen romantischen Stelldichein …«
    »Pst.« Ich werfe ihr die virale Mit-Erinnerung zu. Sie fängt sie auf
und zieht die Nase kraus. Ihre gequälte Miene verwandelt sich in Staunen. Gut. Es hat funktioniert. Die einzige Nebenwirkung, die ich
feststellen kann, ist ein übler Geruch, der lange anhält.
    »Was war das denn, zur Hölle?« Sie zwinkert überrascht. »Jetzt habe
ich Kopfschmerzen.«
    In Worten und Mit-Erinnerungen informiere ich sie über die
Ergebnisse der Unruh-Operation, den Besuch der Kryptarchen und meine
Meinungsverschiedenheit mit Mielis Auftraggeberin – wobei ich bei Letzterem die
intimeren Details auslasse.
    »Das hast du gemacht?«, fragt sie. »Ich hätte nie gedacht, dass du …«
    »Du kannst mit der Mit-Erinnerung tun, was du willst«, versetze ich.
»Inszeniere eine Revolution. Gib sie den anderen Zaddikim als Waffe. Mir ist es
egal. Viel Zeit haben wir nicht. Sobald Mieli wieder online geht, wird sie mich
abschalten. Wenn du einen Draht zu den Einwanderungs-Schweigern hast, dann
versuche bitte, sie dazu zu bringen, dass sie den Prozess verlangsamen. Ich
muss vorher noch meine Geheimnisse finden.«
    Sie schaut zu Boden. »Ich weiß nicht, wo sie sind.«
    »Ach.«
    »Ich habe geblufft. Ich war wütend. Ich wollte dir zeigen … was aus
mir geworden war. Dass ich mich weiterentwickelt hatte. Und ich wollte Druck
ausüben.«
    »Ich verstehe.«
    »Jean, du bist ein Dreckskerl, und das wirst du auch immer bleiben.
Aber diesmal hast du ein gutes Werk getan. Ich weiß nicht, was ich sonst sagen
soll.«
    »Du kannst mir erlauben, mich zu erinnern, wie es ist, ein
Dreckskerl zu sein«, sage ich. »In jeder Hinsicht.«
    Sie nimmt meine Hand. »Ja«, sagt sie nur.
    Es sind ihre Erinnerungen, nicht meine. Doch als sie ihr Gevulot
öffnet, macht es klick . Es ist, als öffnete sich
unter dem Einfluss dessen, was sie mir liefert, in meinem Kopf eine Knospe und
erblühte zur Blume; Teile von mir vereinen sich mit Teilen von ihr und bilden
ein größeres Ganzes. Ein gemeinsames Geheimnis, das vor den Archonten verborgen
ist.
    Auf dem Mars, vor zwanzig Jahren. Ich bin müde. Ein Gewicht
lastet auf mir, eine Folge von vielen Jahren und Transformationen. Ich war ein
Mensch, ein Gogol, ein Zoku-Angehöriger, eine Kopiefamilie, ich habe in einem und
in vielen Körpern und in denkenden Staubpartikeln gelebt; ich habe Edelsteine
und Bewusstseine, Quantenzustände und ganze Welten aus Diamantgehirnen
gestohlen. Jetzt bin ich nur noch ein Schatten meiner selbst, dünn, blass,
überdehnt.
    Der Oubliette-Körper, den ich jetzt bewohne, macht alles einfacher,
mein Herz schlägt im Takt mit dem Ticken der UHR ,
und dadurch wird alles wunderbar endlich. Ich gehe durch die Beständige Allee
und lausche menschlichen Stimmen. Alles fühlt sich wieder wie neu an.
    Ein Mädchen sitzt auf einer Parkbank und betrachtet die tanzenden
Lichter zwischen den Ballons von Montgolfiersville. Sie ist jung, und ihr
staunendes Gesicht leuchtet förmlich im Widerschein. Ich lächle ihr zu. Und aus
irgendeinem Grund lächelt sie zurück.
    Es ist schwer zu vergessen, was man ist, selbst in Gesellschaft von
Raymonde. Ihre Freundin Gilbertine wirft ihrem Liebhaber einen Blick zu, den
ich stehlen möchte. Raymonde kommt mir auf die Schliche. Sie verlässt mich und
kehrt zurück in ihre Slowtown.
    Ich folge ihr nach Nanedi City, wo weiße Häuser an den Seiten des
Tales hinaufklettern wie ein Lächeln. Ich bitte sie um Verzeihung. Ich flehe
sie an. Sie hört mir nicht zu.
    Also erzähle ich ihr von den Geheimnissen. Nicht alles, nur so viel,
dass sie begreift, wie

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