Quantum
über
Theologie zu streiten und endlos über Frauen zu schwadronieren, um mich zu
provozieren, ihm ins Wort zu fallen. Und ich wüsste nicht, was ich lieber täte.
Aber das ist natürlich der Preis.
»Es tut mir leid«, sage ich und stelle mein Glas ab. »Ich muss
wirklich gehen.«
Er sieht mich an. »Ist alles in Ordnung? Du siehst irgendwie komisch
aus.«
»Alles klar. Danke für den Drink. Ich würde gern länger bleiben,
aber …«
»Pah. Es steckt also doch eine Frau dahinter. Macht nichts. Wenn du
das nächste Mal wiederkommst, habe ich hier aufgeräumt.«
»Es tut mir leid«, wiederhole ich.
»Wieso denn? Es steht mir nicht zu, über dich zu urteilen. Leute,
die mit Steinen auf andere werfen, laufen genügend herum.« Er klopft mir auf
die Schulter. »Los jetzt. Bring mir das nächste Mal ein Mädchen von einer
Fremdwelt mit. Grüne Haut wäre schön. Ich liebe Grün.«
»Steht dazu nicht etwas in der Tora?«, frage ich.
»Das Risiko gehe ich ein«, gibt Isaac zurück. »Schalom.«
Leicht angetrunken finde ich mich wieder vor Raymondes Wohnung
ein.
»Ich hätte dich erst sehr viel später erwartet«, sagt sie, als sie
mich einlässt. Ich zwänge mich an den inaktiven Biosynth-Drohnen vorbei, die
mit der Restaurierung beschäftigt sind. Überall hängen Tempmaterie-Abdeckungen
wie Spinnweben.
»Du musst das Durcheinander entschuldigen«, sagt sie. »Aber es war
dein Fehler.«
»Ich weiß.«
Ein scharfer Blick. »Und?«
»Ich will es sehen.«
Ich setze mich auf einen frisch ausgedruckten Stuhl, der nicht sehr
stabil aussieht, und warte. Raymonde kehrt zurück und reicht mir einen
Gegenstand, der in ein Tuch gewickelt ist.
»Du hast mir nie gesagt, wozu sie eigentlich gut ist«, sagt sie.
»Ich hoffe, du weißt, was du tust.«
Ich wickle die Waffe aus und sehe sie mir an. Sie fühlt sich
schwerer an als beim letzten Mal, als ich sie in den Fingern hatte. Ein
hässliches Ding mit seinem kurzen Lauf und der klobigen Kammer mit den neun
Kugeln – den neun Eigenschaften Gottes. Ich stecke sie in meine Tasche. »Ich
muss jetzt gehen und über einiges nachdenken«, erkläre ich Raymonde. »Und falls
wir uns nicht wiedersehen – vielen Dank.«
Sie sagt nichts und sieht mich auch nicht an.
Ich schließe die Tür hinter mir und nehme den Fahrstuhl nach oben.
Ich spüre ein eigenartiges Kribbeln in meinem Gevulot, und plötzlich geht
jemand neben mir die Allee entlang, ein junger Mann mit dunklen Haaren in einem
flotten Anzug, der sich meinem Schritt anpasst. Er trägt mein Gesicht, aber sein
unbeschwertes Lächeln ist nicht das meine. Ich lasse ihm mit einer Handbewegung
den Vortritt und folge ihm.
0 Intermezzo:
Tugend
Gilbertine träumt wieder vom gestiefelten Kater. Die
Tigerkatze geht auf zwei Beinen und trägt einen verwegenen Hut und schwere
Stiefel. Sie führt Gilbertine durch einen Palast mit Korridoren, die in Marmor
und Gold gehalten sind und auf beiden Seiten viele Türen haben. Eine Tür steht
offen.
»Was ist da drin?«, fragt sie die Katze. Die schaut mit fremdartig
glitzernden Augen zu ihr auf. »Das wirst du erfahren«, sagt sie mit hoher,
zittriger Stimme, »wenn der Meister zurückkommt.«
Sie erwacht in ihrer Wohnung in Montgolfiersville neben dem warmen,
schnarchenden Körper ihres neuesten Liebhabers. Sie ist schon dabei, seinen
Namen zu vergessen. Ihre Gevulot-Kontrakte sind perfekt, ein Minimum an
Belästigung für alle Beteiligten, nur lustvolle sexuelle Erinnerungen hier und
dort, heiße Gefühlsaufwallungen, die an Geschmacksempfindungen und Orte
geknüpft sind.
In letzter Zeit werden die Träume häufiger. Und ihre eigenen
Erinnerungen fühlen sich unangenehm losgelöst an. Sie fragt sich, ob sie alt
wird, nicht im altmodischen Sinn, aber vielleicht auf die Art der
Unsterblichen, von der Bathilde immer wieder spricht, eine Folge zu häufiger
Löschungen und Umschreibungen der Persönlichkeit.
Die Mit-Erinnerung kommt, als sie mit ihrem Liebhaber unter der
Dusche steht und seine namenlosen Finger ihr den Rücken einseifen. Die
Nachricht strotzt nur so von Ungeduld und Sorge. Raymonde.
Sie verschwindet unter seinen Händen und wird zu einem
Gevulot-Fleck. Das war ohnehin so vorgesehen. Sie bleibt nur kurz stehen, um
ihre UHR vom Nachttisch zu nehmen: Sie hasst es,
sie beim Liebesakt zu tragen. Das Wort Virtus , das
darauf eingraviert ist, hielt sie schon immer für einen schlechten Witz.
Raymonde erwartet sie in ihrer Wohnung im Bauch der Stadt. Sie
wirkt blass
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