Quantum
und
dessen Augen sehen denen des gestiefelten Katers sehr ähnlich …
Er hält das Kästchen hoch. »Siehst du? Davon habe ich durch die
Träume eines armen Jungen erfahren, der beim Spike verletzt wurde. Ich habe es
dem Zoku gestohlen: Dort wird es niemand vermissen.«
»Was ist es?«, flüstert Gilbertine.
»Ein gefangener Gott«, sagt Paul. »Ich muss ihn irgendwo
unterbringen. Deshalb bist du hier.«
Das Kästchen beginnt zu leuchten. Es verschwindet aus Pauls Hand.
Und dann ist es in ihrem Kopf.
Sie erinnert sich an abstrakte Formen,
eine Datenstruktur wie eine riesige Schneeflocke aus Metall, deren scharfe
Kanten gegen die weichen Partien ihres Bewusstseins drücken. Eine Flut von
fremdartigen Empfindungen strömt durch ihren Exospeicher. Für einen Moment hat
sie das Gefühl, ein glühend heißer Metallstab würde ihr durch die Schläfen
gestoßen Dann ist der Schmerz vorbei, aber ein Gefühl der Schwere bleibt.
»Was hast du mit mir gemacht?«
»Das Gleiche wie mit euch allen: Ich habe Dinge an einem Ort
deponiert, wo niemand nach ihnen suchen wird. In euren Exospeichern, wo sie von
der besten Kryptografie im ganzen System geschützt sind. An einem Ort, der
einen Preis verlangen wird, wenn ich sie zurückhaben will. Das war das Letzte,
was ich loswerden musste. Ich bedaure die Unannehmlichkeiten. Ich hoffe, du
kannst mir verzeihen.« Der Nicht-Paul seufzt. »Nebenbei bemerkt, dein Paul hatte nichts damit zu tun.«
»Ich glaube dir nicht«, sagt Gilbertine. »Erinnerungen sind nicht
alles. Ein Teil von dir ist Paul, ganz gleich, für
wen du dich hältst, ganz gleich, was du mit deinem Gehirn angestellt hast, ganz
gleich, ob er nur eine Maske war. Und wenn es nach mir geht, wird er in der
Hölle braten.« Sie möchte ihm das Gesicht zerkratzen. Aber der schwache
Foglet-Schein um das Wesen, das wie Paul aussieht, verrät ihr, dass Gewalt
sinnlos wäre.
»Tut mir leid, dass du es so siehst!«, sagt er. »Ich kann natürlich
nicht zulassen, dass du dich an diese Begegnung erinnerst. Ich hoffe nur, du
kannst Raymonde irgendwie trösten.«
»Du kannst mein Gedächtnis manipulieren, so viel du willst«, sagt
sie. »Ich werde dafür sorgen, dass sie dich für alle Zeiten hasst.«
»Vielleicht habe ich das verdient«, sagt er. »Leb wohl.«
Er berührt ihre Stirn, und durch ihr Bewusstsein geht ein Luftzug …
Gilbertine blinzelt ins helle Phobos-Licht. Sie steht allein im
Robotergarten. Sie ist verwirrt und erinnert sich nur mit Mühe, dass sie bei
Raymonde gewesen ist. Was hat sie danach getan? Sie blinkert die letzten
Minuten, aber die sind leer. Verdammt. Sicher noch eine
Störung infolge des Spike.
Seltsamerweise erinnert sie sich jedoch an den Traum der vergangenen
Nacht: ein gestiefelter Kater, eine verschlossene Tür. Hatte sie tatsächlich
einen Traum?
Sie erwägt kurz, auch den Traum zu blinkern, doch dann verzichtet
sie darauf. In der Welt des Wachens gibt es mehr als genug zu tun.
17 Der Detektiv und der Gordische Knoten
Isidore braucht den Rest des Tages, um sich zu erholen.
Die Sanitäts-Schweiger lassen ihn nicht gehen, ohne ihn mit Biosynth-Nanodocs
vollzupumpen. In seinem Kopf herrscht ein heilloses Durcheinander, seine
Gedanken rasen in alle Richtungen gleichzeitig davon. Doch als er nach Hause
kommt, übermannt ihn die Erschöpfung, er fällt auf sein Bett und erwacht erst
spät nach einem langen, traumlosen Schlaf.
Er ist frustriert. Die Ruhe hat keine Lösungen gebracht. Nun sitzt
er lange am Frühstückstisch, starrt durch das Küchenfenster in die Welt hinaus
und versucht sich zusammenzureimen, wo alles hingehört, wo die Nahtstellen sind
und wie alles zusammenpasst: der Zaddik, der Dieb, die ZEIT ,
die Gedächtnispaläste. Die Tapeten zeigen wieder einen vielschichtigen
escheresken Dschungel, knallbunt im hellen Mischlicht. Eine muntere Gevulot-Anfrage
reißt ihn aus seinen Gedanken.
»Guten Morgen«, sagt Lin.
»Hm«, brummt Isidore. Seine Mitbewohnerin ist sorgfältiger gekleidet
als sonst, in ihren Ohren blitzen Edelsteine. Sie lächelt Isidore zu und gibt
dem Fabber Anweisungen für das Frühstück, ein spanisches Omelette.
»Kaffee und etwas Festes in den Magen?«, fragt sie.
»Ja, bitte.« Isidore merkt erst jetzt, wie ausgehungert er ist. Die
warme Mahlzeit weckt seine Lebensgeister allmählich wieder. »Danke.«
»Keine Ursache. Du siehst so aus, als hättest du es nötig gehabt.«
»Weißt du schon, dass ich deinem Geschöpf einen Namen gegeben
habe?«,
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