Quantum
hell erleuchtete Ausstellungsregale. Es duftet süß nach
Schokolade und Karamell, viel angenehmer als der Ledergestank in der Fabrik.
Unter der Theke funkeln die Pralinen wie Insekten mit glänzendem Panzer. Die
Paradestücke, kunstvolle Schokoskulpturen, befinden sich auf der rechten Seite.
Ein Schmetterlingsflügel, groß wie ein Mann, in den ein Frauengesicht
eingeritzt ist, und eine Art Totenmaske aus unglaublich dünner
terrakottafarbener Schokolade.
Für einen Moment lässt sich Isidore von einem Paar roter Schuhe mit
fließenden Schokoladenbändern fesseln. Die sollte man sich merken: Pixils
gegenwärtige Laune könnte ein Geschenk erforderlich machen.
»Suchen Sie nach etwas Bestimmtem?«, fragt eine Stimme, die ihm aus
der Exo-Erinnerung bekannt ist: Siv Lindström. Sie
sieht müder aus als in der Erinnerung, das hübsche Gesicht ist von Falten
gezeichnet. Aber die blaue Verkäuferinnentracht ist frisch gebügelt, und das
Haar ist sorgfältig frisiert. Seine und ihre UHR tauschen einen Schwall von Verkaufs-Gevulot aus, Standardmaterial, dem sie
entnehmen kann, dass er eigentlich nicht viel von Schokolade versteht, aber
genügend ZEIT hat, um sie sich leisten zu können,
und das ihm einen kurzen Blick auf öffentlich zugängliche Exo-Erinnerungen zu
ihr und dem Laden gestattet. Ihr Gevulot verbirgt sicherlich irgendeine
emotionale Reaktion, aber Isidore präsentiert sie eine Fassade vorbildlichen
Diensteifers.
»Wir haben ein reichhaltiges Sortiment von macarone ,
frisch aus der Fabrik.« Sie zeigt auf die Theke, wo eine der Biosynth-Drohnen,
die Isidore zuvor gesehen hat, eifrig die Fächer auffüllt und die bunten
Schokoladescheiben ordentlich in Reih und Glied auslegt.
»Ich dachte«, sagt Isidore, »an etwas … ganz Besonderes.« Er deutet
auf das Schokoladenkleid im Schaufenster. »Etwa wie das da. Kann ich es mir
einmal genauer ansehen?«
Die Verkäuferin geht um die Theke herum und schiebt die Glastür auf,
die das Fenster vom Ladenraum trennt. Sie hat den hektisch schlurfenden Gang
alter Marsianer, die unter dem Fehlen der Erdschwerkraft leiden: wie ein Hund,
der zu oft verprügelt worden ist und jedes Mal, wenn ihn jemand streicheln
will, mit neuen Schlägen rechnet. Aus der Nähe kann Isidore sehen, wie
kunstvoll das Kleid gearbeitet ist, wie der Stoff zu fließen scheint, wie
lebhaft die Farben sind. Vielleicht irre ich mich. Doch
dann spürt er, wie ihr Gevulot sich um eine Winzigkeit verschiebt. Oder auch nicht.
»Nun«, sagt sie unverändert freundlich. »Das ist auf jeden Fall ein
außergewöhnliches Stück. Es wurde nach dem Kleid einer Adeligen am Hof von
Olympus aus Trudelle-Schokolade gefertigt: Wir mussten die Mischung viermal
verändern. Sechshundert Aromabestandteile, und man muss genau das richtige
Verhältnis finden. Schokolade ist launisch; sie hält einen auf Trab.«
»Sehr interessant«, sagt Isidore im lebensmüden Tonfall eines ZEIT -reichen jungen Mannes. Er zieht sein
Vergrößerungsglas heraus und studiert damit den Saum des Kleides. Die
Flatterform verwandelt sich in ein Kristallgitter aus Zucker- und anderen
Molekülen. Er dringt tiefer in seine neuen Schokoladenerinnerungen ein. Doch
dann entdeckt das Laden-Gevulot eine unerwünschte Verletzung der Privatsphäre,
geht dazwischen und lässt das Bild verschwimmen.
»Was machen Sie da?«, fragt Lindström und starrt ihn an, als sähe
sie ihn zum ersten Mal.
Isidore betrachtet stirnrunzelnd das weiße Rauschen.
»Verdammt. Ich hätte es fast gehabt«, sagt er. Er schenkt Lindström
sein strahlendstes Lächeln, von dem Pixil behauptet, er würde damit jede ältere
Frau zum Schmelzen bringen. »Könnten Sie es bitte kosten? Das Kleid?«
Die Verkäuferin sieht ihn ungläubig an.
»Wie bitte?«
»Ich bitte vielmals um Entschuldigung«, sagt er. »Ich hätte Sie
informieren sollen. Ich will herausfinden, was Ihrem Arbeitgeber widerfahren
ist.« Er öffnet ihr sein Gevulot gerade so weit, dass sie seinen Namen erfährt.
Sie blinkert ihn, und ihre klaren grünen Augen werden glasig. Dann holt sie
tief Luft.
»Sie sind also der Wunderknabe, von dem alle Welt redet. Der Dinge
sieht, die den Zaddikkim entgehen.« Sie kehrt hinter die Theke zurück. »Wenn
Sie nichts kaufen wollen, würde ich Sie jetzt bitten zu gehen. Ich versuche,
den Laden offen zu halten. Er hätte das so gewollt. Warum sollte ich mit Ihnen
sprechen? Ich habe den anderen doch schon alles gesagt, was ich weiß.«
»Weil sie«, erwidert Isidore
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