Quantum
dazu nicht, aber Isidore kann sich das
zynische Lächeln unter der Maske lebhaft vorstellen.
In der Fabrik erwacht eine zweite Maschine zu ratterndem Leben. Sie
sieht sehr viel fortschrittlicher aus als die Conchiermaschinen aus rostfreiem
Stahl. Die verschnörkelte Messingkonstruktion stammt vermutlich aus der Zeit
der Monarchie: ein Fabber. Über einer Metallplatte tanzt ein komplizierter
Federarm und lässt mit einer Folge von präzisen Atomstrahlstrichen eine Reihe
von präzise geformten macarone entstehen. Die Drohnen
packen das Gebäck in kleine Schachteln und tragen diese fort.
Isidore zieht missbilligend eine Augenbraue hoch: Ein traditioneller
Handwerker der Oubliette müsste eigentlich auf alle technischen Hilfsmittel
verzichten. Aber etwas an der Maschine passt zu dem Bild, das in seinem Geist
gerade Gestalt annimmt. Er untersucht das Gerät genauer. Schokoladenrückstände
ziehen sich in dünnen Streifen über die Platte.
»Zuerst brauche ich natürlich alle Informationen, die du hast«, sagt
er.
»Seine Verkäuferin sagt aus, sie hätte die Leiche gefunden.« Mit
einer schnellen Bewegung seiner weiß behandschuhten Hand reicht ihm der
Gentleman eine kleine Erinnerung aus dem Exospeicher: ein Gesicht und ein Name. Siv Lindström. Er erinnert sich an sie wie an eine
flüchtige Bekannte. Braune Haut, hübsch, kakaobraunes Haar
in wirren Locken. »Und die Familie ist bereit, mit uns zu sprechen – was
machst du da?«
Isidore steckt ein Stück Schokolade von der Fabberplatte in den
Mund, blinkert, so schnell er kann, und zuckt unter den Kopfschmerzen zusammen,
als die fremden Erinnerungen einströmen. Er erkennt den leicht bitteren
Geschmack nach roten Beeren und das eigentümliche Terroir der
Erde im Nanedi-Tal. Etwas passt nicht ins Bild, etwas an der Knusprigkeit. Er
geht zum Leichnam des Chocolatiers hinüber und probiert die Schokolade aus dem
Bottich in dessen Händen. Und hier ist der Geschmack natürlich genau richtig.
Ungerufen entsteht in seinem Geist die Geschichte des Chocolatiers,
Pinselstrich um Pinselstrich wie vorhin bei den macarone .
»Detektivarbeit«, antwortet Isidore. »Als Erstes will ich mit der
Verkäuferin sprechen.«
Der Weg zurück in die Stadt führt Isidore und den Gentleman
durch den Schildkrötenpark.
Das ist an sich schon ein Beweis für den Erfolg des Chocolatiers.
Das rote Ziegelgebäude mit dem riesigen Wandgemälde, auf dem Kakaobohnen
dargestellt sind, befindet sich in einer der begehrtesten Lagen der Stadt. Der
Park mit seinen leicht hügeligen Grünflächen hat einen Durchmesser von etwa
dreihundert Metern und wird wie all die miteinander verzahnten Teile der Stadt
von einer wandelnden Robot-Plattform getragen. Auf dem Grün stehen große,
elegante Villen aus der Zeit der Monarchie, die von jungen ZEIT -Reichen aus der Oubliette restauriert und in die
Stadt eingegliedert werden. Isidore hat noch nie verstanden, wieso einige
seiner Altersgenossen ihre ZEIT unbedingt für
materielle Güter und Dienstleistungen verschleudern und ihr Leben als
Aristokraten vor der langen Knochenarbeit als Schweiger lieber durch Überfluss
verkürzen wollen. Noch dazu, wenn es Kriminalfälle zu lösen gibt.
Der Park ist zwar nach allen Seiten offen, aber er ist kein
öffentlicher Raum im Sinne einer Agora, und auf den sandigen Wegen kommen sie
an mehreren gevulot-verschleierten Personen vorbei, deren Privatsphärenebel
funkelt wie der Morgentau auf den Wiesen.
Isidore möchte mit seinen Gedanken für eine Weile allein sein, er
geht schnell und hat sich die Mantelärmel über die Hände gezogen, um sie zu
wärmen. Mit seinen langen Beinen gelingt es ihm normalerweise, Abstand zwischen
sich und andere zu bringen, aber der Gentleman hält scheinbar mühelos Schritt.
Du langweilst dich, nicht wahr? Pixils
Qupt bricht unvermittelt über ihn herein. Neben ihrer Stimme bringt er ein
Durcheinander von Empfindungen mit: einen Hauch Espressogeschmack und den
eigentümlichen, geradezu sterilen Geruch der Zoku-Kolonie.
Isidore reibt den Verschränkungsring am Zeigefinger seiner rechten
Hand: ein Silberband mit einem winzigen blauen Stein, der direkt zu seinem
Gehirn spricht. Er muss sich an das Zoku-Verfahren des Quptens erst noch
gewöhnen. Die Direktübertragung von Botschaften von einem Gehirn zum anderen
durch einen Quantenteleportationskanal empfindet er, verglichen mit der Methode
des Mit-Erinnerns, wie sie in der Oubliette praktiziert wird, als schmutzig und
invasiv. Diese andere
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