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Quantum

Quantum

Titel: Quantum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannu Rajaniemi
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gut
– wickeln Sie es mir ein. Und geben Sie die Hoffnung nicht auf: Vielleicht
bekommen Sie ihn doch noch zurück.«
    Ihr Lächeln ist düster und voller Bitterkeit. »Er hat mir doch
sowieso nie gehört. Ich habe mir solche Mühe gegeben. Ich war nett zu seiner
Frau. Mit seiner Tochter war ich befreundet. Aber es war nie das Wahre. Wissen
Sie, im ersten Moment war es so fast einfacher. Nur die Erinnerungen und die
Schokolade.« Sie öffnet und schließt die Hände langsam immer wieder. Ihre
Fingernägel sind weiß lackiert. »Bitte, finden Sie ihn«, sagt sie leise.
    »Ich tue, was ich kann«, verspricht Isidore. Er schluckt und fühlt
sich unerklärlicherweise erleichtert, dass dieses Gespräch nicht in den Diamant
des Exospeichers, sondern nur in die sterblichen Neuronen seines Gehirns
eingebrannt wurde.
    »Übrigens habe ich nicht gelogen. Ich brauche wirklich etwas ganz
Besonderes.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja. Ich komme nämlich zu spät zu einer Party.«
    Plötzlich wird die Tür aufgestoßen. Ein Teenager, blond und
auffallend hübsch, mit regelmäßigen slawischen Zügen, etwa sechzehn Erdenjahre
alt, betritt den Laden.
    »Hallo«, grüßt er.
    »Sebastian«, sagt Siv Lindström. »Ich habe einen Kunden.«
    »Schon gut, mich stört das nicht«, sagt Isidore und macht
höflichkeitshalber ein Gevulot-Angebot, das Gespräch nicht mitzuhören.
    »Ich wollte nur wissen, ob du Élodie gesehen hast?« Der Junge lächelt
die Verkäuferin strahlend an. »Ich kann sie nicht erreichen.«
    »Sie ist zu Hause bei ihrer Mutter«, sagt sie. »Du solltest ihr
jetzt etwas Ruhe gönnen. Ihre Trauer respektieren.«
    Der Junge nickt eifrig. »Ja, sicher. Ich dachte nur, ich könnte
vielleicht helfen …«
    »Nein, das kannst du nicht. Dürfte ich jetzt bitte hier
weitermachen? Élodies Papa hätte es so gewollt.«
    Der Junge wird blass, macht kehrt und flüchtet aus dem Laden.
    »Wer war das?«, fragt Isidore.
    »Élodies Freund. Ein widerlicher Schleimer.«
    »Sie mögen ihn nicht?«
    »Ich mag niemanden «, sagt Lindström.
»Außer Schokolade natürlich. Was ist das denn nun für eine Party?«
    Als Isidore den Laden verlässt, ist der Gentleman nirgendwo zu
sehen. Doch als er die Rechtsläufige Allee entlanggeht, hört er seine Schritte;
er meidet das helle Sonnenlicht und hält sich in den Schatten.
    »Ich muss schon sagen«, bemerkt der Zaddik, »ich verfolge die
Ermittlungen mit Interesse. Aber hast du dir überlegt, dass die Theorie, die du
ihr präsentiert hast, auch zutreffen könnte? Könnte sie nicht tatsächlich dafür
verantwortlich sein, dass man ihrem Arbeitgeber das Bewusstsein gestohlen hat?
Ich gehe davon aus, dass es nicht an ihrem hübschen Lächeln liegt, wenn du
daran nicht glaubst.«
    »Nein«, sagt Isidore. »Aber ich möchte als Nächstes mit der Familie
sprechen.«
    »Glaube mir, es war die Verkäuferin.«
    »Wir werden sehen.«
    »Wie du meinst. Ich habe soeben einen weiteren Hinweis von meinen
Brüdern erhalten. Nicht weit von hier hat man Spuren einer Wasilew-Operation
gefunden. Ich werde sie genauer untersuchen.« Und schon ist der Zaddik wieder
verschwunden.
    Mithilfe der Exo-Erinnerung findet Isidore die Wohnung des
verblichenen Chocolatiers. Sie liegt in einem der hohen weißen Gebäude, die die
Kante überragen. Von hier aus hat man einen fantastischen Blick auf die Wüste
des Hellas-Beckens mit ihren wogenden Dünen und grünen Oasen. Isidore steigt
über eine der Treppen an der auswärts gerichteten Fassade zu einer grünen Tür
hinunter. Als er weit unter sich hinter einer Staubwolke, die sie selbst
aufwirbeln, die Beine der Stadt erblickt, befällt ihn leichte Höhenangst.
    Vor der roten Wohnungstür muss er einen Moment warten. Dann öffnet
ihm eine kleine Chinesin im Morgenmantel. Ihr altersloses Gesicht ist ziemlich
unscheinbar, ihr schwarzes Haar glänzt wie Seide.
    »Ja, bitte?«
    Isidore streckt ihr die Hand hin. »Mein Name ist Isidore
Beautrelet«, sagt er und öffnet sein Gevulot so weit, dass sie erkennen kann,
wer er ist. »Sie können sich wahrscheinlich denken, warum ich hier bin. Ich
wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir ein paar Fragen beantworten könnten.«
    Sie sieht ihn seltsam hoffnungsvoll an, aber ihr Gevulot bleibt
geschlossen: Isidore erfährt nicht einmal ihren Namen. »Bitte, treten Sie ein«,
sagt sie.
    Die Wohnung ist klein, aber hell, ein Fabber und ein paar schwebende
Quantenpunkt-Schirme sind das einzige Zugeständnis an die Moderne. Über eine
Treppe

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