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Quantum

Quantum

Titel: Quantum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannu Rajaniemi
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Fahrwerk
schaukelt hin und her, während das Gefährt – ein Bastard aus einer Spinne,
einer H. G. Wells’schen Kriegsmaschine und einem Taxi – über Dächer springt und
sich an Wände heftet.
    Er lässt die Pralinenschachtel fallen und flucht, als sie in der
Kabine hin und her geschleudert wird.
    »Alles klar da hinten?«, fragt der Fahrer, eine junge Frau hinter
der traditionellen roten, an ein Spinnennetz erinnernden Dominomaske der
Taxifahrer. Deren Aufgabe ist es, in einer in ständigem Wandel befindlichen
Stadt, wo zudem viele Orte permanent durch Gevulot verborgen sind, einen Weg
von Punkt A nach Punkt B zu finden. Auf diese Fähigkeit sind sie nicht wenig
stolz. »Keine Sorge, ich bringe Sie schon hin.«
    »Mir geht es gut«, sagt Isidore. »Aber machen Sie ruhig etwas
schneller.«
    Die Zoku-Kolonie befindet sich am vorderen Ende der Stadt, im
Staubviertel, genau über den Atlas-Schweigern, die den Marssand so präparieren,
dass er das Gewicht der Stadt zu tragen vermag. Die Grenzen der Kolonie sind
leicht zu erkennen: Hinter den roten Staubwolken werden die belle
époque -Fassaden und die Kirschbäume an den breiten Alleen von
Märchenschlössern aus Diamant abgelöst – Mathematik, in physikalische Form
gebracht. Sogar das Licht wird von den glänzenden Flächen der Gebäude
prismatisch gebrochen und grell gespiegelt. Die Zoku-Kolonie steht schon mehr
als zwanzig Jahre an dieser Stelle, seit sie während des Protokollkriegs um
Asyl nachgesucht hat; aber es geht das Gerücht, sie sei in einer einzigen Nacht
aus einem Nanosamen gewachsen. Ein Fragment des Quantentechnologie-Imperiums,
das die äußeren Planeten beherrscht, hier auf dem Mars. Seit Isidore mit Pixil
zusammen ist, versucht er immer wieder, die Nicht-Hierarchie der Zokus zu
verstehen, aber bisher ohne großen Erfolg.
    Nach etlichen weiteren Sprüngen, die Isidore den Magen umdrehen,
hält das Spinnentaxi an. Sie befinden sich vor einer Kathedrale aus Glas und
Licht, aus deren Seiten in unregelmäßigen Abständen Türme und Fialen und
organisch wirkende gotische Spitzbögen wachsen.
    »Da sind wir«, sagt die Fahrerin. »Vornehme Freunde, wie? Lassen Sie
sich bloß nicht das Gehirn quanten.«
    Isidore bezahlt und sieht bestürzt, wie der Zeiger seiner UHR nach unten sackt. Dann hebt er die
Pralinenschachtel auf und begutachtet den Schaden. Sie hat ein paar Beulen, ist
aber sonst unversehrt. Sie wird den Unterschied ohnehin
nicht bemerken. Er springt hinaus, knallt die Taxitür härter als nötig
hinter sich zu und steigt die Treppe zu der massiven Doppeltür hinauf. Seine
Fliege ist zu eng, und er zerrt nervös, mit zitternden Händen daran.
    »Nur mit Einladung«, sagt eine Stimme, die aus dem Untergrund zu
kommen scheint.
    Ein Monster tritt aus der Tür, die seine massige Gestalt umfließt,
als sei es durch die Oberfläche eines vertikalen Teichs gebrochen. Das Monster
trägt eine blaue Pförtneruniform und eine Mütze. Es ist fast drei Meter groß,
mit grüner Haut, einem Gesicht wie eine Dörrpflaume, winzigen Äuglein und zwei
dicken gelben Stoßzähnen. In einen davon ist ein winzig kleiner durchsichtiger
Zoku-Stein eingebettet. Die Stimme ist tief und unnatürlich klangvoll, aber
menschlich.
    Das Ungeheuer streckt seine fleischige Hand aus. Seine Unterarme
sind mit schwarzen, spitzen Stachelwülsten besetzt, die feucht glänzen. Es
riecht nach Lakritz. Isidore muss schlucken.
    »Ich habe eine Einladung«, sagt er und
streckt seinen Verschränkungsring aus. Das Monster beugt sich darüber und
studiert ihn.
    »Die Party hat bereits begonnen«, sagt es dann. »Gästekarten sind
abgelaufen.«
    »Hör mal«, sagt Isidore, »ich habe mich ein wenig verspätet, aber
Mademoiselle Pixil erwartet mich.«
    »Natürlich.«
    Ich bin an der Tür , quptet er Pixil in
seiner Verzweiflung. Ich weiß, ich komme zu spät, aber jetzt
bin ich da. Bitte lass mich rein. Er bekommt keine Antwort.
    »So geht das nicht«, sagt das Monster und räuspert sich. »Die
Verschränkungsparty ist eine wichtige Tradition, ein Ausdruck der Einheit und
des Zusammenhalts des Zoku. Sie geht zurück auf die Zeit der alten
Metaversums-Gilden. An diesem Festtag sind wir so, wie unsere Vorfahren einst
waren. Da duldet man keine Störung, um einen Nachzügler einzulassen.«
    »Wenn es so wichtig ist«, kontert Isidore, »wieso bist du dann
hier?«
    Das Monster wird verlegen. »Ressourcenoptimierung«, murmelt es.
»Jemand muss den Türsteher machen.«
    »Hör mal, was kann dir

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