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Quantum

Quantum

Titel: Quantum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannu Rajaniemi
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einen Moment erwäge ich, für etwas ZEIT einem von ihnen ein Paar Skates abzukaufen: aber
der nur allmählich nachlassende imaginäre Schmerz in meiner Kehrseite rät mir,
bei meinen eigenen Füßen zu bleiben.
    Ich rechne noch immer jede Sekunde damit, dass sich mein Körper
abschaltet und dass Mieli kommt und mir die Strafe verpasst, die sie sich
ausgedacht hat. Dennoch hätte ich gerne ihr Gesicht gesehen.
    Als wir den alten Robotergarten erreichen, bin ich vollends außer
Atem und verfluche es, dass ich die Parameter meines streng normierten Körpers
nicht einfach außer Kraft setzen kann. Ich falle auf die Knie und ringe nach
Luft, der Schweiß läuft mir in die Augen.
    »Hör zu«, sage ich. »Lass uns vernünftig miteinander reden. Wenn du
ein Teil meines Gehirns bist, müsstest du doch vernünftig sein.« Andererseits
war ich in diesem Alter wahrscheinlich alles andere als das. Und nicht nur in
diesem Alter.
    Der Garten ist mir unerklärlich vertraut. Er ist ein Stück der alten
Monarchie, das die Stadt irgendwo auf ihrem Weg durch die Marswüste aufgelesen
und sich einverleibt hat, um es dann durch ihren Urban-Metabolismus hierher zu
befördern. Er befindet sich auf einem freien Platz innerhalb des Labyrinths,
der rundum von hohen Synagogen geschützt ist. Etwa fünf Quadratmeter große
schwarze und weiße Marmorblöcke bilden auf zehn Meter mal zehn Metern ein
Gitter. In die Lücken hat man Bäume gepflanzt, und Blumen, grüne und rote, weiße
und violette, überwuchern die glatten einfarbigen Kanten. Der Junge ist
nirgendwo zu sehen.
    »Ich habe nicht viel Zeit. Die Dame mit der Narbe wird uns bald
holen kommen, und sie wird ziemlich böse auf uns sein.«
    Auf jedem Block steht eine Riesenmaschine: mittelalterliche Ritter,
Samurai oder Legionäre mit reich verzierten Rüstungen, weit offenen Helmen und
furchterregend spitzen Waffen. Die Platten sind rostig und verwittert, und
einige der leeren Helme wurden in Blumentöpfe umfunktioniert. Nun wachsen Begonien
und pastellfarbene Marsrosen aus den Öffnungen. Manche der Gestalten scheinen
mitten im Kampf erstarrt zu sein – allerdings scheint es mir, als bewegten sie
sich kaum merklich, während ich nach Atem ringe. Etwas sagt mir, dass sie, wenn
ich bliebe und ihnen zusähe, ein langsames Spiel fortsetzen würden, das von
längst verstorbenen Spielern begonnen wurde.
    Wieder dieses Lachen. Ich drehe mich um. Der Junge hängt am Arm
eines roten Roboters, der reglos und mit hoch erhobener sensenförmiger Waffe
etwas abseits von den anderen steht. Ich will mich mit einem Satz auf ihn
stürzen und ihn in den Schwitzkasten nehmen, aber er ist längst nicht mehr da.
Als ich ihm nachlaufe, stürze ich ein zweites Mal, diesmal mitten in ein
Rosenbeet.
    Immer noch atemlos, wälze ich mich langsam auf den Rücken. Die
Dornen zerreißen mir die Kleider und die Haut.
    »Kleiner Mistkerl«, knurre ich. »Du hast gewonnen.«
    Ein heller Strahl von Phobos – auf seinem achtstündigen Weg über den
Himmel – trifft den offenen Helm des Roboters. Im Inneren blitzt es wie Silber.
Ich rapple mich wieder auf, greife nach oben und klettere an der Rüstung des
Roboters hinauf; zumindest das ist bei Marsschwerkraft einfacher. Ich wühle in
dem Dreck im Innern des Helms und fördere ein Stück Metall zutage. Es ist eine UHR mit einem schweren Silberband und einem Zifferblatt
aus Messing. Der Zeiger steht unverrückbar auf null. Ich stecke die UHR rasch ein, um sie mir später gründlicher anzusehen.
    Schritte nähern sich, begleitet von einer scharfen Gevulot-Anfrage.
Ich versuche gar nicht erst, mich zu verstecken. »Schon gut, Mieli«, sage ich.
»Ich kann nicht mehr laufen. Bitte, schick mich nicht in die Hölle. Ich komme
auch ganz brav mit.«
    »Hölle?«, fragt eine Stimme barsch. »Die Hölle, das sind die
anderen.« Ein Mann in einem blauen Overall mit dichtem weißem Haar über einem
Gesicht, das sich nicht gegen das Alter gewehrt hat, steht auf einen Rechen
gestützt vor mir und starrt mich an. »Das ist schließlich kein Apfelbaum«, sagt
er.
    Dann runzelt er die Stirn.
    »Ich will verdammt sein. Sind Sie das?«
    »Äh, kennen wir uns?«
    »Sind Sie nicht Paul Sernine?«

5   Der Detektiv und der Zoku
    Fast hätte Isidore es noch rechtzeitig geschafft.
    Das Spinnentaxi rast über die Dächer der Stadt. Es kostet ihn
hundert Kilosekunden, aber es ist die einzige Möglichkeit, wenigstens annähernd
pünktlich zu sein. Er klammert sich an seinen Sicherheitsgurt. Das

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