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Quantum

Quantum

Titel: Quantum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannu Rajaniemi
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uns auf
Entdeckungsreise gehen.«
    Sie finden gläserne Eier, antike Uhren und Naschwerk von der alten
Erde. In einem der größeren Würfel stößt Isidore auf ein uraltes Raumschiff. Es
sieht aus wie der schmutzige Backenzahn eines Riesen, die weißen Keramikflächen
sind von braunen Flecken entstellt. Pixil öffnet einen Würfel voller
Theaterkostüme und drückt ihrem Geliebten lachend einen Filzhut auf den Kopf.
    »Wird nicht irgendjemand sehr empört sein, wenn man uns hier
findet?«, fragt Isidore.
    »Zerbrich dir darüber nicht den Kopf, Sklave.« Pixil grinst
verschmitzt. Sie zieht die Kostüme herunter und schichtet sie auf dem Fußboden
zu einem Haufen auf. Dabei summt sie vor sich hin. »Ich habe es dir doch
gesagt. Ressourcenoptimierung.« Sie legt ihm die Arme um den Hals und küsst ihn
hart und lange. Unter ihrer Berührung zerfließt seine Kleidung. Sie zieht ihn
auf das Nest aus Mänteln und Gewändern. Dann beansprucht ihre Gestalt allen
Raum, und sein Zorn fließt ab.

0   Intermezzo:
    Güte
    Xuexue kommt wie an jedem Sol Solis in den Garten, um den
roten Roboter anzulächeln.
    Der steht allein, abseits der Kampfmaschinen, die in Gruppen auf dem
schwarz-weißen Marmorgitter aufgebaut sind. Auch sein Design weicht ein wenig
ab: Unter einer Rostschicht verbergen sich die schnittigen Linien eines roten
Sportwagens, und oben auf seinem Helm blitzt ein Pferdchen.
    Xuexue setzt sich auf einen kleinen Klappstuhl davor, schaut direkt
auf den schwarzen Schlitz im Helm und lächelt. Dabei hält sie so still, wie sie
nur irgend kann. Ihr Rekord sind zwei Stunden. Am schwierigsten ist es, das Gefühl des Lächelns aufrechtzuerhalten. Heute fällt ihr das
leicht, denn sie hatte bei den Kindern im Kindergarten einen guten Tag: Die
kleinen Kaiser und Kaiserinnen der Oubliette – von ihren Eltern mit ZEIT teuer erkauft und entsprechend verwöhnt – können ihr
das Leben schwer machen, aber es gibt auch Glücksmomente. Vielleicht kann sie
ihren Rekord heute brechen.
    »Entschuldigen Sie?«, sagt eine Stimme.
    Xuexue unterdrückt nicht ohne Mühe ein Stirnrunzeln, lächelt weiter
und dreht sich nicht um.
    Eine Hand legt sich auf ihre Schulter, und sie zuckt zusammen. Sie
hätte ihr Gevulot schließen sollen, aber das hätte ihr das Lächeln verdorben.
    »Ich versuche mich zu konzentrieren«, beklagt sich Xuexue.
    Ein junger Mann sieht sie belustigt an. Er hat pechschwarzes Haar,
einen Hauch von Sonne im Teint und dunkle, hoch gewölbte Augenbrauen über
schweren Lidern. Gekleidet ist er wie für eine Party, ein schickes Jackett und
dazu passende Hosen. Zum Schutz vor Phobos’ grellem Schein trägt er eine blau
getönte Brille.
    »Ich bitte um Verzeihung«, sagt er mit einem verhaltenen Lachen in
der Stimme. »Wobei habe ich Sie denn gestört?«
    Xuexue seufzt. »Das würden Sie nicht verstehen.«
    »Geben Sie mir eine Chance.« Er nimmt die Brille ab und sieht Xuexue
neugierig an. Seine Gesichtsfarbe ist ein klein wenig zu makellos, die
Standardkörper der Oubliette sehen anders aus. Er lächelt, aber sein Blick
wirkt abwesend, als höre er auf mehr als ein Gespräch.
    »Ich lächle den roten Gladiator an«, sagt sie. »Schon seit etwa
einem Jahr. Jede Woche mindestens eine Stunde lang.«
    »Wozu?«
    »Nun, es gibt eine Theorie, wonach im Inneren der Roboter langsame
Gogols laufen«, antwortet sie. »Ein Spiel aus der alten Monarchie. Für die
Gogols ist es ein erbitterter Kampf. Sie kämpfen um ihre Freiheit. Wenn man lange
genug hinsieht, bewegen sie sich nämlich. Daraus schloss ich, dass sie auch uns
sehen können. Wenn wir ganz still stehen. Wie Geister vielleicht.«
    »Verstehe.« Er schielt zu den Robotern hinüber. »Ich glaube, so viel
Geduld brächte ich nicht auf. Und wieso haben Sie sich ausgerechnet den hier
ausgesucht?«
    »Ich weiß nicht«, sagt sie. »Er sieht einsam aus.«
    Der junge Mann fasst mit der Hand an den Brustschild des Roboters.
»Wäre es nicht möglich, dass Sie ihn irgendwann aus dem Konzept bringen? So
dass er den Kampf verliert? Niemals seine Freiheit erringt?«
    »Die Monarchie besteht nicht mehr. Tatsächlich sind sie seit fast
hundert Jahren frei. Ich finde, das sollte ihnen jemand sagen.«
    »Das ist gut gemeint.« Er reicht ihr die Hand. »Ich bin Paul. Ich
habe mich ein wenig verlaufen: Diese Straßen verändern sich ständig. Ich hatte
gehofft, Sie könnten mir sagen, wie ich wieder hinauskomme.«
    Sein grobes Besucher-Gevulot lässt tropfenweise Empfindungen

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