Quantum
nach hinten gegeltem Haar. Er trägt eine lederne
Schultertasche. »Also, wie wär’s?«
»Ich glaube, ich bin zu betrunken«, sagt Isidore. »Macht ihr nur
weiter.«
»Ich finde, betrunken zu sein ist eine ausgezeichnete Möglichkeit,
sein Gesicht zu wahren. Tut mir leid, Herrin. Du hast uns besiegt.« Das Mädchen
seufzt. »Na schön. Dann spiele ich eben Werwolf. Mickrige Menschen.« Sie wirft
Isidore eine Kusshand zu.
»Wie gefällt dir die Party?«, fragt der Mann.
»Nicht besonders.«
»Das ist aber schade.« Er greift nach einer der Bierdosen auf dem
Tisch und öffnet sie. »Du wirst wahrscheinlich schon festgestellt haben, dass
das Bier hier einfach grauenhaft schmeckt. Es ist nämlich authentisch.«
»Bei mir wirkt’s«, sagt Isidore und macht seinerseits noch eine Dose
auf. »Ich heiße Isidore.«
»Adrian.« Seinem Händedruck nach gehört der Mann eindeutig zur
Oubliette. Aber ohne das gewohnte Gevulot und mit seinem kleinen Schwips hält
Isidore das nicht für so wichtig.
»Nun, Isidore, warum sitzt du hier, anstatt draußen zu tanzen, dich
zu verschränken und Zoku-Miezen aufreißen?«
»Ich habe einen ganz besonderen Tag hinter mir«, sagt Isidore. »Ich
wäre fast getötet worden. Und ich habe einen Gogol-Piraten gefangen. Oder auch
zwei. Mit Schokolade. Und eine Zoku-Mieze habe ich schon. Ihre Mutter ist eine
Göttin, und sie hasst mich.«
»Na schön«, sagt Adrian. »Ich hätte allerdings eher etwas anderes
erwartet, etwas in Richtung von Ich habe einen Zaddik
gesehen oder Ich habe vergangene Nacht einen fremden
Traum geträumt .
»Oh, ein Zaddik war auch dabei«, sagt Isidore.
»Das klingt schon eher nach einer Story. Erzähl mir mehr.«
Sie trinken weiter. Isidore findet es vollkommen in Ordnung, die
Geschichte des Chocolatiers zu erzählen. Die Worte strömen ihm nur so von den
Lippen. Er muss an Pixil denken. Wie oft haben wir wirklich
miteinander gesprochen? Und ohne das Gevulot, das seine Gedanken oder seine
Zunge zügelt, fühlt er sich so leicht und frei wie ein Stein, der über das
Wasser hüpft.
»Wer bist du eigentlich, Isidore?«, fragt
Adrian, als er fertig ist. »Wie bist du in diese Sache hineingeraten?«
»Ich konnte nicht anders. Ich muss über Dinge nachdenken, die ich
nicht verstehe. Früher bin ich im Labyrinth herumgelaufen und habe nur so zum
Spaß Gevulot-Sperren geknackt.«
»Aber wieso? Was hast du davon?«
Isidore lehnt sich zurück und lacht. »Ich verstehe die Menschen
nicht einfach so. Ich muss Schlussfolgerungen ziehen .
Ich weiß erst, warum jemand Dinge sagt oder tut, wenn ich darüber nachdenke.«
»Das ist unglaublich«, sagt Adrian, als Isidore innehält, um von
seinem Bier zu trinken. Zerstreut bemerkt er, dass der Mann auf einen kleinen
Notizblock kritzelt, ein altmodisches Ding aus Papier. Das kann nur eines
bedeuten, und Isidore begreift selbst mit seinem umnebelten Verstand, dass er
einen Fehler gemacht hat.
»Du bist Journalist«, sagt er. Der Schwung ist hin, das Wasser
verschluckt den hüpfenden Stein. Sein Kopf ist schwer. Auch in einer Welt
vollkommener Privatsphäre gibt es analoge Löcher, und die Herausgabe von
Zeitungen gehört zu den gewinnträchtigsten geduldeten Verbrechen in der
Oubliette. Seit seinem ersten Fall mit den Haut Couture -Dieben
sind sie hinter ihm her. Aber sie haben es nie geschafft, sein Gevulot zu
durchdringen. Bis jetzt.
»Ja, das ist richtig. Adrian Wu vom Ares-Boten .«
Er zieht eine altmodische Kamera aus seiner Tasche – auch damit lässt sich das
Gevulot überlisten. Isidore ist für einen Moment vom Blitzlicht geblendet.
Dann schlägt er zu. Jedenfalls versucht er es: Er springt auf und
schwenkt die Fäuste, trifft aber nicht. Seine Beine geben nach. Er greift nach
dem nächstbesten Gegenstand – dem Computer-Monitor auf dem Tisch – und reißt
ihn krachend mit sich zu Boden. Sofort rappelt er sich wieder auf und will nach
Adrians Kamera greifen. »Her damit!«
»Aber gern. Morgen bekommst du das Bild, zusammen mit fünfzigtausend
anderen Lesern. Du weißt, wir brennen darauf, dich zu interviewen, seit du zum
ersten Mal mit dem Gentleman gesichtet wurdest. Möchtest du uns vielleicht noch
mehr über sie erzählen?«
»Über sie ?«
»Sicher.« Adrian grinst. »Und du willst Detektiv sein? Auf der
Straße weiß jeder, dass der Gentleman eine Frau ist. Und wenn wir von Frauen
sprechen – hier ist die Frau der Stunde.«
»Hallo, Kürbis«, schnurrt Pixil. Bei ihrem Anblick wird Isidore
trotz
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