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Quantum

Quantum

Titel: Quantum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannu Rajaniemi
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Metallmaske umschließt seinen ganzen Kopf: Mieli ist ziemlich
sicher, dass es sich um eine Quantenpunkt-Blase handelt. Nun streckt er eine
Hand im weißen Handschuh aus. Mieli ergreift sie und lässt sich hochziehen.
    Ein Zaddik. Na großartig . Die Sobornost-Datenbank,
die sie auf dem Flug studierte, enthielt über die Vigilanten der Oubliette nur
spärliche Informationen. Sie sind seit etwa zwei Jahrzehnten aktiv und haben
eindeutig Zugang zu Technologien von außerhalb des Mars. Die Wasilews –
Infiltratoren – des Sobornost, die mit den hiesigen Gogol-Piraten
zusammenarbeiten, vermuten, dass sie etwas mit der Zoku-Kolonie zu tun haben,
die nach dem Protokollkrieg auf dem Mars gegründet wurde.
    »Mir ist nichts passiert«, sagt Mieli. »Ich bin nur ein wenig erschrocken.«
    Du meine Güte, sagt Perhonen . Wer ist das denn? Ein edler Prinz auf einem weißen Pferd?
    Sei still und überlege dir lieber, wie ich
verhindern kann, dass meine Tarnung auffliegt.
    »Wir sollten Sie von der Agora wegbringen, bevor die Journalisten
kommen«, sagt der Zaddik und reicht Mieli seinen Arm. Sie stellt überrascht
fest, dass ihre Beine zittern, also hängt sie sich bei ihm ein und lässt sich
in den Schatten der Kirschbäume und den Lärm der Beständigen Allee
zurückführen. Viele Schaulustige – hauptsächlich Touristen – beobachten die
Szene, aber der Zaddik macht eine Handbewegung, und Mieli spürt, dass ihre
Privatsphäre wiederhergestellt ist.
    »Danke«, sagt sie. »Journalisten?«
    »Ja, sie beobachten die Agoren sehr genau. Ebenso wie wir. Und die
Bettler, die nach leichter Beute suchen, wie Sie soeben am eigenen Leib
erfahren mussten.« Er deutet mit seinem Spazierstock auf die maskierten
Angreifer auf dem Boden.
    »Was geschieht jetzt mit ihnen?«
    Der Zaddik zuckt die Achseln. »Das hängt davon ab, wie die STIMME entscheidet. »Vorzeitiges oder verlängertes
Schweigen wahrscheinlich; aber das hatten sie ohnedies vor sich.« In seiner
Stimme, die klingt wie ein ganzer Chor, schwingt ein zorniger Unterton mit.
»Das ist leider der Preis, den wir für die anderen guten Dinge hier bezahlen
müssen.« Dann nimmt er seinen Hut ab und verbeugt sich. »Aber ich muss mich
entschuldigen, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Der Gentleman – das
ist mein nom de guerre – steht zu Ihren Diensten. Ich
hoffe, das Erlebnis hat Ihnen den Tag nicht völlig verdorben.«
    Jetzt flirtet er mit dir, sagt Perhonen . Du meine Güte! Tatsächlich.
    Natürlich nicht. Er hat kein Gesicht. Mieli spürt ein Kribbeln und erkennt, dass der Zaddik sie scannt. Er kann die
Tarnschichten unter ihrem Gevulot nicht durchdringen, aber sie wird wieder
einmal daran erinnert, dass die Eingeborenen hier nicht nur Pfeil und Bogen
haben.
    Ich habe auch kein Gesicht, aber das hat mich
noch nie davon abgehalten.
    Schon gut. Was mache ich denn jetzt? Solange er
mich scannt, kann ich nicht auf den Feed des Diebs zugreifen.
    Er ist ein Weltverbesserer. Bitte ihn um Hilfe.
Halte deine Tarnung aufrecht, dummes Ding. Aber versuche zur Abwechslung einmal
nett zu sein.
    Mieli ringt sich ein Lächeln ab und überlegt sich, was ihre Tarnidentität
– eine Touristin aus einem gemischten Habitat im Asteroidengürtel – wohl sagen
würde. »Sie sind also Polizist, nicht wahr? Systemadministrator?«
    »Etwas dergleichen.«
    »Ich habe meinen Freund aus den Augen verloren, als … diese Bettler
kamen. Jetzt weiß ich nicht, wo er ist.« Vielleicht hat das Schiff ja recht:
Der Dieb ist nicht der Einzige, der sich auf soziale Manipulation versteht.
    »Ach so. Und Sie wissen nicht, wie Sie ihm über Mit-Erinnerungen
eine Nachricht schicken können? Sie haben mit niemandem Ihr Gevulot geteilt, um
festzustellen, wo Sie sind? Natürlich nicht. Es ist wirklich schrecklich: Die
Zoll-Schweiger achten sehr streng darauf, dass man die eigene Technik
zurücklässt, aber sie erklären einem nie so richtig, wie man die hiesige benützt.«
    »Wir wollten nur die Sehenswürdigkeiten besichtigen«, sagt Mieli,
»den Olympus-Palast etwa, und eventuell an einer Phoboi-Jagd teilnehmen.«
    »Wir können Folgendes tun«, schlägt der Gentleman vor. »Wir werfen
einen Blick in den Agora-Speicher – das geht so.« Die Erinnerung kommt ganz
plötzlich, es ist, als fände man endlich das Wort, das einem die ganze Zeit auf
der Zunge gelegen hat. Mieli weiß, sie hat die Agora von oben gesehen,
unglaublich detailliert, und kann jedes Gesicht in der Menge abrufen. Und sie
hat beobachtet,

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