Quarantäne
zusehen kann, und so starre ich wie gebannt auf meine Hände und Unterarme, als aus dem tiefen Schwarz eines Bewohners der UV-Risikozonen das interessante Oliv entsteht, wie ich es von den Photos meines Großvaters aus dem zwanzigsten Jahrhundert kenne. Eine Stunde später haben meine Nieren die Stoffwechselprodukte des Melanins ausgeschieden, und ich pinkle einen erschreckend schwarzen Strahl in die Porzellanschüssel. Es ist verrückt – aber die Hautfarbe auf diese Weise loszuwerden verstört mich noch mehr als alles andere, was ich in den letzten zwölf Stunden erlebt habe. Was immer mit meinem Gehirn geschehen sein mag – bisher konnte ich mich wenigstens im Spiegel erkennen.
Ein prüfender Blick, dann kann ich mich endlich wieder den Erfordernissen dieses Tages zuwenden.
Nur die Hautfarbe zu ändern reicht nicht; jede Mustererkennungs-Software wird mich an Hand meiner Personalakte identifizieren können – aber immerhin, nun kann mir nicht mehr jede auf der Straße herumlungernde Gestalt, die mein Bild in den Nachrichten gesehen hat, zum Verhängnis werden.
Allerdings: Als ich die Neu-Hongkong Times aufrufe, finde ich nicht den geringsten Hinweis auf ein versuchtes Bombenattentat, weder durch die Kinder noch sonst jemanden. Es scheint, daß ASR die ganze Sache unter Verschluß hält; vielleicht will man nicht, daß die Polizei etwas genauer erforscht, warum denn Dupreys Leute so darauf brennen, ihr schönes Hochhaus in die Luft zu pusten.
Das gibt mir ein wenig Mut. Ich bin keineswegs außer Gefahr – die Pseudo-INITIATIVE hat sicher ein Dutzend Killer und Kopfgeldjäger beauftragt, sich meiner anzunehmen –, aber es ist schön zu wissen, daß ich nicht als mutmaßliches Mitglied der Kinder auf allen Steckbriefen der Welt zu finden bin.
Ich sitze auf einer Parkbank in einem Fleck Morgensonne, der auf irgendwelchen Umwegen in die Straßenschluchten gefunden hat – mit dem Rest der Welt durch Chiffre, Transmitter und mein Satellitentelefon verbunden – und beauftrage ein On-line-Expertensystem, sich meiner unvollständigen Kopie von Initiative anzunehmen. Damit bin ich gut beraten, denn es stellt sich heraus, daß man nicht einfach den zweiten Teil mit dem fehlenden Schluß streichen darf: Die Startsequenz des ersten Teils muß entsprechend abgeändert werden. Mit Programmen dieser Art darf man nicht leichtfertig umgehen; enthält der Bauplan eines Neuromoduls die kleinste Unstimmigkeit, dann verweigert das Synthesegerät die Arbeit.
Ich lösche die Copyright-Hinweise, kopiere die fertige Software aus dem Speicher von Chiffre auf einen Chip und suche im Telefonbuch nach der nächsten Modulwerkstatt. Es gibt einen Laden mit dem wichtigtuerischen Namen Neue Welt, der nur einen knappen Kilometer entfernt ist.
Was ich da am Ende einer düsteren Sackgasse sehe, ist alles andere als vielversprechend. Aber drinnen fällt mein Blick auf ein Synthesegerät von Axon mit dem Schild >Autorisierte Vertragswerkstatt< – möglicherweise auch eine Fälschung. Die Frau hinter dem Ladentisch steckt den Chip in den Kalkulationscomputer und sagt dann: »Dreißigtausend Dollar. Ihr Modul können Sie in vierzehn Tagen abholen.«
Von dem Expertensystem weiß ich, daß die Synthese höchstens acht Stunden dauern dürfte. Ich soll mich also in die Warteschlange der übrigen Kunden einreihen.
Ich sage: »Fünfzigtausend Dollar, und Sie haben es bis heute abend um zehn.«
Sie denkt nach. »Achtzigtausend, um neun?«
»Abgemacht.«
Ich kaufe eine Pistole, ein vollwertiger Ersatz für den Laser, den man mir heute morgen abgenommen hat. Bei Waffen hört in Neu-Hongkong die Freizügigkeit auf, und das spiegelt sich in den Schwarzmarktpreisen wieder. Siebenundfünfzigtausend, das ist etwa das Vierfache des üblichen Preises. Luis Großzügigkeit, was meinen Anteil betrifft, finde ich noch immer beängstigend, doch verstehe ich andererseits, wie gern er mich aus der Stadt locken wollte. Er wollte sichergehen, daß ich ihn nicht an die INITIATIVE verraten würde… und sicher hat er gelogen, was den Preis für die Dechiffriermaschine angeht. Was er dafür bekommen hat, war wohl zehn- bis hundertmal mehr, als er mir genannt hat.
Ich brauche ein Dach über dem Kopf, doch die Buchungscomputer der Hotels könnten mir gefährlich werden. Ich bin fast den ganzen Nachmittag auf den Beinen, aber schließlich habe ich eine kleine Wohnung in einem nur mäßig heruntergekommenen Viertel im Südwesten der Stadt. Ich drücke dem
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