Quarantäne
Makler ein Bündel Scheine in die Hand, so daß er nicht einmal nach meinem Ausweis fragt. Kaum daß er mir die Schlüssel übergeben und aus der Tür ist, falle ich wie tot aufs Bett. Die leichte Gehirnerschütterung macht sich nun doch bemerkbar; ich habe Schwierigkeiten, wach zu bleiben.
Karen sagt: >Also, womit fangen wir an? Was ist als erstes zu tun, wenn wir die Weiterverbreitung stoppen wollen?<
Ich seufze. »Du weißt, daß das hoffnungslos ist. Inzwischen dürfte Lui die Daten schon ein Dutzend Mal kopiert haben.«
>Vielleicht. Aber würde er sie so einfach anderen Leuten überlassen – oder nicht viel eher unter Verschluß halten?< Das Zimmer verschwimmt mehr und mehr vor meinen Augen, nur Karens Bild bleibt immer gleich deutlich. Ich schließe ganz fest die Augen und versuche, mich zu konzentrieren.
»Ich weiß es nicht. Er hat sie sicher nicht an die anderen Mitglieder der Liga weitergereicht; vermutlich hat er ihnen erzählt, daß ich den Einbruch vermasselt hätte – wenn er überhaupt schon mit ihnen reden konnte.«
>Dann sind die Daten vielleicht noch immer ausschließlich in seiner Hand.<
»Vielleicht. Ausgenommen natürlich jene Firma, bei der er seine Version des Moduls herstellen läßt. Wenn er mit dieser Dechiffriergeschichte weitermachen will – ohne mich –, dann muß er sich selber das Modul implantieren und lernen, wie man es benutzt.«
>Und welche Firma ist das?<
»Keine Ahnung.« Unbarmherzig zwinge ich mich, aufzustehen. Das Zimmer schwankt für einen Moment hin und her, dann kommt es zum Stillstand. »Aber das wird sich herausfinden lassen.«
Ich habe Glück. Lui ist seinem Hang zum Hinterhofmilieu treu geblieben, und nach einigem verschämten Zögern ist der Besitzer des Lädchens, wo man mir Hypernova aushändigte, bemerkenswert entgegenkommend. Wenn ich weiter mit solchen Summen um mich werfe, werde ich wenigen Tagen pleite sein. Doch ist es vielleicht kein Fehler, alles auf eine Karte zu setzen, wenn ich so offensichtlich eine Glückssträhne habe.
Er sagt: »Ich habe die beiden Päckchen heute morgen per Kurier zu NeoMod geschickt. Das war so um sieben. Der Kunde hat für vorrangige Erledigung bezahlt – die Bestellung sollte bis zwei fertig sein. Aber die Ware kam nicht hierher zurück; er hat dann gegen Abend angerufen und gesagt, er hätte es selbst abgeholt, direkt beim Hersteller.«
»Beide Päckchen? Wie viele Module hat er denn bestellt?«
»Nur eines – aber er hat seinen eigenen, speziellen Trägerorganismus für das Modul mitgebracht. Das ist recht ungewöhnlich, aber…« Er zuckt mit den Schultern.
Ungewöhnlich ist eine ziemliche Untertreibung. Die normalerweise benutzten Einzeller der Familie Entamoeba sind eine Züchtung, die unmöglich länger als einige Minuten außerhalb des Kulturmediums, in dem sie transportiert werden, überleben können. Sie sind auf Enzyme angewiesen, die im Medium enthalten sind und die sie nicht selbst produzieren können – und die auch nirgendwo in der Natur vorkommen. Zusammen mit einigen anderen gentechnisch erzeugten >Sicherungen< garantiert das, daß sie nur so lange leben, wie sie brauchen, um die Nasenschleimhaut des Modulbenutzers zu durchqueren. Niemand in der Umgebung dieses Menschen braucht eine Infektion und damit ein unerwünschtes Modul zu befürchten, man fängt es nicht ein wie einen Schnupfen. Zumindest ist es nicht wahrscheinlicher als eine Schwangerschaft durch einen Rempler in der U-Bahn.
Und es gibt nur einen Grund dafür, nicht den Standardorganismus zu benutzen: Diese Organismen sollen nicht sicher sein. Dieses Modul soll Leuten untergeschoben werden, die es gar nicht wünschen.
Was überhaupt keinen Sinn ergibt. Wenn Lui Initiative zum Knacken von Codes benutzen will, was kann es dann für einen Grund geben, es irgendwelchen Komplizen aufzuzwingen, die es nicht haben wollen?
»Dieser Trägerorganismus – was wissen Sie darüber?«
Er schüttelt den Kopf. »Nichts. Ich habe ihn ja nicht beschafft, nur mit dem Chip zusammen weitergeleitet.«
»War der Behälter beschriftet? Irgendein Markenzeichen? Der Name eines Herstellers, oder sonst etwas?«
»Ich habe den Behälter gar nicht gesehen. Er war verpackt, in einem kleinen schwarzen Kästchen – und darauf gab es keine Schrift oder sonst etwas.«
»Ein kleines schwarzes Kästchen?«
»Ja, ohne jede Beschriftung und so… nur ein kleines blaues Lämpchen an der Seite.« Er zuckt mit den Schultern, sicher eine merkwürdige Sache – aber
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