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Quarantäne

Quarantäne

Titel: Quarantäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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zehn Minuten kommt das Räderwerk zum Stillstand, jetzt gehört es mir (auch wenn fünf Prozent abhanden gekommen sind), und niemand wird es mir je streitig machen.
    Warum? Lui war darauf vorbereitet, mir den Chip mit Gewalt zu nehmen – warum hat er mir das Geld gegeben? Natürlich kann er mit Initiative so viel verdienen, daß eine halbe Million geradezu bedeutungslos ist. Und die Summe, die er für mich abgezweigt hat, gibt ihm eine gewisse Sicherheit, daß ich ihn in Ruhe lassen werde. Es ist Bestechungsgeld, nichts weiter. Er hätte mich genausogut auch töten können, ich kann mich noch glücklich schätzen.
    Und ich sollte auch seinen Rat beherzigen: mich auf den Weg zum Hafen zu machen. Mich mit einigen rasch verteilten Geldscheinen aus dem Land zu stehlen. Es gibt nichts, was mich hier noch hält.
    Nichts? Ich lasse mir die letzten Stunden noch einmal durch den Kopf gehen, um vor allem jenen Augenblick genau auszumachen, in dem ich das Loyalitätsmodul endgültig abgeschüttelt habe. Aber ich finde keine Spur eines heldenhaften, aufopferungsvollen Kampfs um meine wahre Identität, keine intellektuelle Meisterleistung, die endlich ausreichte, den Knoten in meinem Hirn zu lösen. Aber schließlich hatte es einen solchen Kampf auch an jenem Tag nicht gegeben, als man mir das Modul implantierte. Das alles war eine Frage der Hirnphysiologie, nicht etwa von Logik oder Willensstärke. Genauer: eine Frage, weshalb sich diese Physiologie geändert hat. Waren es jene wenigen Versionen von mir, die nicht an das Loyalitätsmodul gebunden waren, die irgendwie mein verschmiertes Ich überzeugen konnten, eine von ihnen den Kollaps überleben zu lassen (d. h. mich) – oder war es die Notsituation bei ASR, die es einfach überforderte, so daß es sich nicht auch noch um die Religion jenes am Ende übrigbleibenden Ichs kümmern konnte? Das werde ich nie erfahren. Vielleicht hat sich die verschmierte Po-kwai eingemischt. Aus welchem Grund auch immer es passiert ist, es gibt kein Zurück.
    Ist es denn geschehen? Lui hat behauptet, daß ich kollabiert wäre… und war vielleicht sogar überzeugt davon… aber der einzige der Kollaps ist wirklich, der sich selbst verwirklicht. Vielleicht bin ich noch immer verschmiert, nicht anders als Lui, die Wachen bei ASR, und der ganze Vorfall einschließlich des Bombenfunds und Luis Warnung bis hin zu diesem Augenblick gehört zu einem Eigenzustand, der nicht realisiert werden kann… weil das der Preis ist, mit dem ich den Erfolg in dieser außergewöhnlichen Nacht erkauft habe.
    Ich versuche, meine panische Angst im Zaum zu halten; ich rufe Hypernova auf und schalte auf AUS… bis mir einfällt, daß auch das nichts bringt. Milliarden Versionen von mir haben die ganze Nacht – völlig umsonst – nichts anderes getan. Die Frage ist zumindest in diesem Augenblick nicht zu beantworten. Wie werde ich je wissen, ob ich mich in der Wirklichkeit befinde?
    Der Zeitplan könnte es mir bestätigen. Es ist vier Uhr sieben – und wenn alles planmäßig verlaufen wäre, dann wäre ich jetzt auf meinem Posten und natürlich auch kollabiert. Daß ich jetzt hier bin, bedeutet, daß diese Wirklichkeit unwiderruflich Teil meiner Vergangenheit ist – und damit bin ich auch kollabiert. Und meine Befreiung vom Loyalitätsmodul ist ebenso unwiderruflich. Wie viele Versionen auch immer sich noch in seiner Gewalt befinden… ich lebe, und sie sind ausgelöscht.
    Dann gibt es auch keinen Grund, hierzubleiben. Die INITIATIVE, ob echt oder unecht, spielt in meinem Leben keine Rolle mehr.
    Was die Gefahren von Initiative betrifft, so mag Lui vielleicht geldgierig sein – dumm ist er nicht. Wenn er das Risiko die ganze Zeit schon kannte, dann wird er sehr vorsichtig sein und nach Möglichkeiten suchen, es in Grenzen zu halten. Vielleicht gefällt mir der Gedanke nicht besonders, daß das Schicksal des ganzen Planeten in seiner wohl nicht unfehlbaren Hand liegt – aber mir bleibt keine Wahl. Es gibt niemanden, an den ich mich wenden kann. Die Behörden? Die haben von ASR erfahren, daß ich der Hauptverdächtige in Sachen Bombenattentat bin – und vielleicht glaubt mein Ex-Arbeitgeber das sogar selber. Was kann ich tun? Der Polizei von Neu-Hongkong eine anonyme Warnung zukommen lassen, daß eine Technik, die die Basis der Wirklichkeit zerstören könnte, in falsche Hände geraten ist…?
    Das Problem ist, daß man zwar Lui möglicherweise trauen kann, was den vorsichtigen Umgang mit dem Modul angeht, daß er

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