Quarantäne
ein Quadrat von zwanzig mal zwanzig Metern, befindet sich mitten im zweiten Kellergeschoß. Das mochte ein Kühlraum für tiefgefrorenes Material sein oder irgendein Speziallabor – ein Sterilraum vielleicht oder ein Isotopenlabor. Aber solche Laborräume betrat man meistens nicht, man arbeitete, wenn irgend möglich, von draußen, über Manipulatoren. Doch die Bilder zeigen nur langweilige weiße Wände und eine Tür ohne jede Aufschrift. Auch ist nirgendwo eine Warnung vor Radioaktivität oder infektiösem Material zu lesen, nichts.
Die Chamäleons sind auf zwei Uhr in der Nacht programmiert – für den Fall, daß Culex im Gebäude eingesperrt würde. Aber das läßt sich leicht korrigieren. Ich schicke das Insekt noch einmal hinein; die Chamäleons möchten doch bitte in sieben Minuten mit ihrer Arbeit beginnen, das ist genau um elf Uhr fünfundfünfzig. Chamäleons sind zu klein, um Radiosignale zu empfangen – und das ist vielleicht gut so. Radiowellen kommen schließlich auch dort an, wo sie nicht ankommen sollen.
Während ich auf das Gebäude zugehe, gebe ich den Bauplan an E2 weiter, das dafür sorgen wird, daß er sich dem Bild meiner Augen überlagert. Das Blickfeld der Überwachungskameras und die von Bewegungsdetektoren kontrollierten Bereiche sind rot markiert – das schwache Leuchten erscheint mir als sichtbar gemachte Gefahr, als würde ein Modul in meinem Kopf auf magische Weise jede potentielle Gefahrenquelle aufspüren. Dabei darf ich nicht vergessen, daß dieser Plan vielleicht nur eine grobe Annäherung darstellt, daß wichtige Details möglicherweise fehlen.
Um genau elf Uhr fünfundfünfzig lösche ich die rote Markierung an genau zwölf Stellen. Das ist eine Sache des Glaubens, denn einen Beweis für das Funktionieren der Chamäleons habe ich nicht. Doch werde ich bald Gewißheit haben.
Den Grundstückszaun krönen einige Reihen Stacheldraht, und mein Elektrometer sagt mir, daß die Spannung in den Drähten an die sechzigtausend Volt beträgt. Das liegt noch bequem in dem Bereich, den die Isolierung in meinen Handschuhen und Schuhen verkraften kann. Der Stacheldraht sieht höllisch scharf aus, aber dem Kohlenfasergewebe meiner Handschuhe wird er nur etwas anhaben können, wenn er mit Diamantsplittern gespickt ist und dazu wie ein Bohrmeißel rotiert. Ich schwinge mich hinüber. Ich trete sehr vorsichtig auf, denn es gibt links und rechts von mir noch genug aktive Sensoren, deren Empfindlichkeit ich nicht kenne.
Ich schneide ein Loch in ein Fenster im Erdgeschoß und schlüpfe in einen unbeleuchteten Raum, irgendein Labor. E2 stellt meine Augen in Sekundenschnelle auf maximale Empfindlichkeit ein, das ist wirklich gut gemeint, doch habe ich zum Glück den Plan, den mir Culex besorgt hat. So komme ich rasch voran, was immer an Hindernissen mir den Weg verstellt. Unbewegliche Hindernisse, versteht sich; dort, wo ich auf dem Plan einen Stuhl oder Tisch sehe, muß ich mich langsam vortasten und die gegenwärtige Position herausfinden.
Ich trete hinaus auf den Korridor, der ebenfalls im Dunkeln liegt, doch beginnt gleich zu meiner Linken ein rotmarkierter Bereich, ein anderer kaum mehr als ein Zentimeter neben der Tür ins Treppenhaus. Schon habe ich den Türgriff in der Hand, als ich bemerke, daß das ellbogenförmige Gestänge der Schließmechanik beim Öffnen in den roten Bereich hineinragen wird. E5 hat im Nu errechnet, wie weit ich die Tür öffnen kann, ohne Alarm auszulösen; der Spalt wäre zu schmal für mich. Ich breche das Gestänge ab und biege die beiden Teile möglichst flach gegen die Tür.
Ich steige in den Keller hinunter. Die Chamäleons haben ihr Möglichstes getan, damit ich problemlos in jedes Stockwerk gelangen kann, doch scheint dieser Gebäudeteil am schlechtesten gesichert zu sein. Warum also nicht hier beginnen? Ohne die allgegenwärtigen Überwachungskameras riskiere ich sogar, eine Taschenlampe zu benutzen und den Plan vor meinem inneren Auge durch einige Details zu bereichern. Ich sehe einige große Behälter mit Lösungsmitteln und Reagenzien, eine Reihe von Gefriertruhen; halb gekippt und an die Wand gelehnt eine wohl defekte Zentrifuge mit geöffnetem Gehäuse, aus dem an Drähten die Platinen heraushängen.
Ich erreiche den blaumarkierten Trakt: keine Daten… Ein Quadrat, das merkwürdig unmotiviert in der Mitte des Geschosses liegt; ansonsten ist der Keller nicht unterteilt. Und außerdem sieht dieser Trakt neu aus, er riecht auch so. Wenn Laura wirklich
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