Quarantäne
Pistole ins Holster und holt aus einer Gürteltasche eine Ampulle. Sie macht einen Schritt über die liegende Laura hinweg und packt mich mit einer Hand am Unterkiefer (ich verlangsame meinen Herzschlag), dann sticht sie die Nadel in eine meiner Halsvenen (ich blockiere den Blutstrom in dieser Region) und drückt die Flüssigkeit aus der Ampulle.
Das Unterbinden der Blutzirkulation bringt mir mit etwas Glück einige Sekunden – Zeit genug für El, um herauszufinden, was man mir gespritzt hat. Und wenn es eine Substanz ist, die das Modul neutralisieren kann, dann ist jetzt der Moment gekommen, aktiv zu werden. Da sie wohl nicht vorhaben, mich zu grillen, muß die Laserautomatik abgeschaltet sein – schließlich müssen sie jeden Augenblick damit rechnen, daß ich zusammenbreche. Wenn ich tue, als würde ich bewußtlos, und mich taumelnd an der Frau festhalte, sie dann als Schutzschild herumschwenke, ihre Pistole nehme…
Aber El läßt mich im Stich; versuchsweise will ich noch einen Finger krümmen – es geht nicht mehr. Einen Sekundenbruchteil später wird es schwarz um mich.
4
Ich erwache auf einem Betonfußboden. Ich liege auf der Seite und bin nackt. Meine Arme schmerzen, doch als ich sie bewegen will, zerrt kaltes Metall an meinen Handgelenken. Ich sehe mich um. Ich bin in einer kleinen, engen Kammer, ein Abstellraum, den nur ein kleines Fenster oben unter der Decke erhellt. Meine Hände sind auf den Rücken gefesselt, mit Handschellen, die wiederum an einem Regal befestigt sind. Es geht über die ganze Wand und ist vollgestopft mit den üblichen Glaswaren für Laborzwecke.
E5 kann mir nicht sagen, wo ich bin. Es benötigt bestimmte Sinnesinformationen, um arbeiten zu können. Mit einem funktionierenden Gleichgewichtssinn, mit den Signalen der Mechanorezeptoren in den Beinen und dem übrigen Körper kann es den Weg, den man geht, auf den Millimeter genau nachvollziehen. Aber wenn man als bewußtloses Bündel irgendwohin geschleppt wird, ist es absolut machtlos. Doch nennt es mir Datum und Uhrzeit mit solcher Selbstverständlichkeit, daß ich kaum daran zu zweifeln wage. Ich vergleiche die Uhren der anderen Module, sie stimmen alle überein: 5Januar, 15 Uhr 21. Eine Droge, die alle Uhren auf genau die gleiche Weise aus dem Takt bringen kann, ist wohl noch nicht erfunden worden. Fünfzehn Stunden also, das heißt, daß man mich praktisch an jeden beliebigen Ort des Planeten gebracht haben konnte… oder jedenfalls an jeden Ort, an dem es um 15 Uhr 21 zentralaustralischer Zeit so ungefähr neun Uhr vormittags oder fünfzehn Uhr nachmittags ist, dem Tageslicht nach zu urteilen. Mit einiger Verspätung fällt mir ein, daß ich doch auf dem Bauplan in meinem Kopf nach einem Raum passender Größe suchen könnte, und tatsächlich finde ich einen auf jeder Etage. Culex hat in keinem davon etwas gesehen, das wert schien, photographisch genau abgespeichert zu werden, doch hat sie unterschiedslos von allen Räumen Rißzeichnungen angefertigt, auf denen auch die Einrichtung erkennbar ist: Ich bin im vierten Stock.
Man hat mich mit zwei Paar Handschellen gefesselt, die eine Fessel des zweiten Paares ist an einer Strebe des stählernen Regals befestigt. Offensichtlich ist das Regal nicht an der Wand verankert; schon wenn ich mich ein wenig rühre, klirrt und rattert das Glaszeug. Vielleicht könnte ich die Kette an der Stahlstrebe durchscheuern mit der Zeit – immer vorausgesetzt, daß ich nicht ständig überwacht werde –, doch wäre das wahrscheinlichste Ergebnis wohl eine Lawine von Glas.
Nun gut, hier gibt es kein Entkommen. Aber mit wem habe ich es eigentlich zu tun?
Es besteht noch immer die Möglichkeit, daß BDI genau das ist, was es zu sein vorgibt: ein Dienstleistungsunternehmen, das biomedizinische Forschungsaufträge bearbeitet. Das zufällig nicht zimperlich ist, wenn der Forschungsgegenstand erst einmal entführt werden muß. Und Auftraggeber ist jener Pharmakonzern, dessen Produkt vor nunmehr dreiunddreißig Jahren Lauras Behinderung verursachte, in utero. Der Konzern ging ein Risiko ein, wenn er Außenstehende in die Geschichte mit hineinzog, doch war es möglicherweise immer noch geringer, als wenn man sich im eigenen Haus um Laura >kümmerte<. So eine Gesellschaft mochte eine Menge loyaler Mitarbeiter haben, doch waren wohl die wenigsten zu kriminellen Machenschaften bereit, wogegen BDI genau auf diese Art von Aufträgen spezialisiert war.
Das hört sich noch immer plausibel an, obwohl
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