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Quarantäne

Quarantäne

Titel: Quarantäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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hätten damit zu tun, preisgegeben hätte. Doch so etwas Lächerliches hätte mich wohl unglaubwürdig gemacht.
    Als ich fertig bin, sagt die Frau: »Okay« – aber nicht zu mir. Mein Bewacher läßt den Laserstrahl von meinem Kopf gleiten, aber er hilft mir nicht aus dem Stuhl. Plötzlich wird mir klar, was sie vorhaben. Für einen winzigen Augenblick spüre ich eine gewisse Verzweiflung: Entweder bewußtlos oder blind, mit verbundenen Augen: Wie soll ich da irgend etwas über meine Lage herausfinden? Doch sogleich schaltet sich E3 ein und unterbindet diese kaum hilfreiche Gefühlsregung. Die Nadel bohrt sich durch meine Haut, ich spüre die kalte Flüssigkeit in der Vene. Doch kämpfe ich nicht dagegen an, was hätte es für einen Sinn.
     
    Ich erwache auf einem Bett, ohne die Handschellen. Ich sehe mich um. Ich bin in einer kleinen, fast leeren Wohnung. Ein Mann, den ich noch nie gesehen habe, sitzt auf einem Stuhl in der Ecke und beobachtet mich kühl und sachlich. Über die Beine hat er seine Pistole gelegt. Ich höre Straßenlärm, er kommt von unten, tief unten, vielleicht fünfzehn oder zwanzig Stockwerke. Es ist sieben Uhr siebenundvierzig, der sechste Januar.
    Ich stehe auf und gehe ins Bad; mein Bewacher macht keine Anstalten, mich aufzuhalten. Toilette, Dusche, ein Waschbecken. Auch ein Fenster von dreißig mal dreißig Zentimetern, das nicht zu öffnen ist, mit einer Scheibe aus geriffeltem Glas, durch die man nichts erkennen kann. Das Luftgitter an der Decke hat etwa den halben Durchmesser des Fensters. Ich uriniere, wasche mir dann Hände und Gesicht. Bei laufendem Wasserhahn sehe ich mich rasch um, aber in diesen vier Wänden hier befindet sich nichts, was auch nur entfernt als Waffe zu gebrauchen wäre.
    Ansonsten gibt es nur das eine Zimmer, immerhin mit einer Kochnische in einer Ecke. Ein kleiner Kühlschrank, dessen Stecker nicht eingestöpselt ist; die Tür steht offen. Eine Anrichte mit Kochplatten und eingebautem Mikrowellenherd. Über der Spüle ein Fenster, doch ist die Jalousie geschlossen. Ich gehe darauf zu, doch mein Bewacher sagt: »Dort ist nichts, was Sie interessieren dürfte. Das Frühstück ist schon unterwegs.« Ich nicke und kehre wieder um. Ich gehe neben dem Bett auf und ab, um die verkrampften Muskeln zu lockern.
    Kurz darauf kommt ein zweiter Mann und bringt in einem Karton das Essen. Fastfood, Kaffee. Ich setze mich aufs Bett und esse. Ich bin wieder allein mit meinem Bewacher, er ißt nicht mit und ignoriert meine Versuche, ein Gespräch zu beginnen. Sein Blick folgt mir nur, um zu beobachten, was ich tue. Manchmal scheint es, als wäre er geistesabwesend oder benommen, aber ich weiß nur zu gut, wie hellwach er in Wirklichkeit ist. Ich habe oft genug zwölf Stunden lang auf Beobachtungsposten gestanden, mit aktivierten Modulen – und muß dabei ganz genauso ausgesehen haben. Wenn ein Modul für Wachsamkeit sorgt, dann ist man schlechthin unfähig, unaufmerksam zu sein. Langeweile, Ungeduld, Unkonzentriertheit, alles das existiert nicht mehr. Bin ich inaktiviert, dann mache ich gern Witze über diese Art von Zombies, doch nach jedem Einschalten wird mir von neuem klar, worin die eigentliche Stärke dieser Technik liegt: nicht im Erzeugen neuartiger, unerhörter Bewußtseinszustände, sondern in der gezielten, sehr präzisen Auswahl eines gewünschten Zustands, der nach Kräften stabilisiert wird.
    Mehr oder weniger warte ich, nachdem ich gegessen habe, schon auf die nächste Spritze. Man läßt sich Zeit, doch will ich mich lieber nicht zu früh freuen. Ich liege auf dem Bett und starre gegen die Decke, ein Muster von einem Gefangenen. Ich werde ihnen keinen Grund liefern, Gewalt anzuwenden. Nicht die kleinste Schwierigkeit werde ich machen, solange ich nicht bessere Karten in der Hand habe. Wenn die Gelegenheit erst da ist…
    Und wenn diese Gelegenheit für immer auf sich warten läßt?
    Was, wenn ich ihnen nicht entwischen kann?
    Mich zu töten wäre in jeder Beziehung einfach.
    Aber was für Möglichkeiten gibt es noch? Hatte es beim Verhör nicht geheißen, man würde sich unter Umständen >erkenntlich zeigen    Vielleicht, daß man, anstatt mich zu töten, mein Gedächtnis manipulieren wird. Auf die grobe Tour, versteht sich. Man hatte ja kein Geld ausgeben wollen, um mein Gehirn erst einmal zu dechiffrieren – auch nicht, um an gewisse Informationen heranzukommen. Dann würde man sich auch nicht darum

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