Quarantäne
eines gibt, was ich ganz sicher nicht wegdefinieren kann: Die wahre INITIATIVE beschäftigt sich mit der Erforschung von Lauras besonderem Talent, mit jeder denkbaren Methode. Das Gefängnis im Keller mit den doppelten Mauern, Po-kwais Ionenexperimente. Und nun… meine verrückten Versuche mit dem Modul. Und wenn ich der wahren INITIATIVE dienen will, dann muß ich mich an dieser Forschungsarbeit beteiligen, soweit es in meinen Kräften steht.
Diese unvermittelte Einsicht ist ein Schock – aber da die Wahrheit einmal ausgesprochen ist, kann ich nicht mehr zurück. Dieser Logik entrinnt man nicht. Die Tatsache, daß ich vor diesem Verschmieren Angst habe, macht es noch zwingender: Wenn ich mich nicht überwinden müßte, es zu tun, was wäre denn daran noch sonderlich loyal?
Ich sehe mich um in der Runde, Gesicht für Gesicht. Ich bin meiner Sache nun sicher. Ganz unnötig, meinen Widerwillen gegen die Donquichotterien dieser Leute zu überwinden, unnötig, mich darum zu kümmern – nicht mehr jedenfalls, als jeder von ihnen sich um die Ideen der anderen kümmert. Ich werde die Pläne für den Eigenzustandsgenerator stehlen, für sie – aber ich werde meine ganz privaten Gründe dafür haben.
Chan kommt gerade zum Schluß: »… glaube ich, daß wir das Risiko eingehen müssen, um jeden Preis. Ich stimme dafür!«
Lui sieht Yuen Lo-ching fragend an. Ihr weicher, verträumter Blick wird entschlossen und klar, und weit ausholend beginnt sie die Gründe aufzuzählen, die doch nur zu einem, längst unwiderruflichen Schluß führen dürfen. Yuen Ting-fu und Li Siu-wai sind als nächste an der Reihe, und ich höre aufmerksam zu, um mir die Spielregeln zu merken, um zu lernen, wie man diesen Drahtseilakt am besten bewältigt. So persönlich, so eigen die verschiedenen Vorstellungen von der INITIATIVE auch sind, sie müssen auf eine Formel gebracht werden, die für alle annehmbar ist und zu einer Billigung der geplanten Aktion führt.
Nur Lui ist die Verbindlichkeit in Person, was ihn betrifft, scheint es keine Differenzen zu geben. Er sagt nur: »Nun gut, meine Meinung kennt ihr; überflüssig, darüber noch ein Wort zu verlieren. Nun ist Nick an der Reihe, er muß entscheiden.«
Sorgfältig formuliere ich meine Gründe. Die Mitstreiter hören zu, die Gesichter versteinert, und werden sich nun in ihrer Meinung bestätigt sehen, daß ihre Sicht der Dinge einzigartig und nicht kompromißfähig ist. Ich beleidige keinen von ihnen – nicht mit scheinbaren Konzessionen, nicht durch das Herumdiskutieren an irgendeinem der vorgebrachten Argumente; aber ich lasse keinen Zweifel daran, daß ich keines davon zu akzeptieren geneigt bin. Die wahre INITIATIVE, verkünde ich, ist das Geheimnis von Lauras Talent, und alles andere könne man getrost vergessen.
»Deshalb können wir diese Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, wie riskant das Vorhaben auch ist. Wir brauchen den Eigenzustandsgenerator – nicht um irgendeines taktischen Vorteils im Kampf um die Macht, sondern weil er sozusagen das Kernstück der INITIATIVE ist. Und wie anders sollten wir es in unseren Besitz bringen als durch Anwendung der ihm innewohnenden Möglichkeiten. Ich bin bereit, es zu tun – alles Notwendige zu tun. Mit oder ohne eure Unterstützung.«
Lui und ich bleiben noch eine Weile, nachdem die anderen gegangen sind. Schweigend sitze ich da, ich fühle mich leer und verwirrt. Ich weiß noch immer nicht, wie weit man der Liga und ihrem Zusammenhalt vertrauen kann, ob wir letzten Endes vielleicht nichts anderes zustandegebracht haben als die Illusion eines Konsenses. Ein Konsens ohne Kompromiß – ein hübsches Paradoxon wie aus der Orwellschen >Neusprache<.
Wenigstens bin ich jetzt zu einem Schluß gekommen, was die INITIATIVE in meinem Kopf für mich bedeutet – obwohl ich das ungute Gefühl habe, daß ich in einer Woche, einem Monat, einem Jahr ganz anders darüber denken werde.
Ich sage: »Mal ganz offen: Angenommen, ich schaffe es… Angenommen, ich besorge die Information und Sie bauen den Eigenzustandgenerator.« Ich zeige mit der Hand auf die leeren Stühle. »Wie lange, glauben Sie, wird man die alle unter einen Hut bringen können?«
Lui zuckt mit den Achseln. »Lange genug.«
»Lange genug für was?«
»Lange genug, damit jeder bekommt, was er will.«
Ich lache. »Da könnten Sie recht haben. Vielleicht geht es auf diese Weise bis in alle Ewigkeit weiter: Alle halten wir zusammen und tun, was nötig ist – wenn es nötig ist. Aber
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