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Quarantäne

Quarantäne

Titel: Quarantäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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beängstigend genug – auch wenn Lui recht haben sollte und das jedermann und jederzeit passieren kann, auch wenn ich sicher sein könnte, daß im Augenblick des Kollapses jeder Eigenzustand bis auf den gewünschten sich in pure Fiktion aufgelöst hat. Aber wenn es ein Risiko gibt, daß Erinnerungen aus den anderen Zuständen hinübergerettet werden, dann kann ich das Verschmieren nicht bloß als Abstraktion abtun… dann gibt es möglicherweise noch andere, ernste Konsequenzen, ja Unverträglichkeiten physikalischer Art. Angenommen, ich stehle den ROM-Chip und stelle dann fest, daß ich mich an ein erfolgreiches Unternehmen und einen Fehlschlag gleichzeitig erinnere: Als was würde dieser Zwitterzustand der übrigen Welt erscheinen, welche Auswirkungen würde er haben?
    Lui sagt: »Wir müssen in dieser Sache weiterkommen, so rasch wie möglich. Wir wissen nicht, wieviel Zeit uns bleibt, bis Po-kwai merkt, was vorgeht. Je eher Nick lernt, den Eigenzustandsgenerator zu kontrollieren, desto größer ist unsere Chance, daß sie uns nicht auf die Schliche kommt.« Und wohl meinetwegen fügt er hinzu: »Das ist auch in ihrem eigenen Interesse; sollte sie herausfinden, daß man sie hintergeht, dann kann sie das in große Schwierigkeiten bringen. Aber wenn Nick die volle Kontrolle über ihr Modul hat, dann bleibt sie möglicherweise vom >Schlafwandeln< verschont – er kann dann einen Eigenzustand des >Gesamtsystems< auswählen, in dem sie tief schläft, während er durch die ganze Stadt wandert.«
    Aber ja. Wenn’s weiter nichts ist… nur zu. Auf solche Kleinigkeiten kommt es nun wirklich nicht mehr an.
    »Und wenn er… auf halbem Weg versagt?« sagt Li Siu-wai.
    »Wenn er auf der Straße kollabiert, dann haben wir eben Pech gehabt. Dann muß er ohne Po-kwai und den Eigenzustandsgenerator auskommen. Er muß sich irgendwie wieder ins ASR-Gebäude mogeln, eine Ausrede erfinden, warum er seinen Posten verlassen hat. Möglich, daß man ihn zur Verantwortung zieht – aber viel eher werden seine Kollegen in der Sicherheitsabteilung versuchen, den Vorfall zu vertuschen; denn bei einer Untersuchung müßten sie erst einmal erklären, wie Nick ungesehen aus dem Gebäude gelangen konnte.«
    Das finde ich nun weniger überzeugend; niemand, der seinen Dienst mit Sentinel verrichtet, ist so leicht zu erpressen.
    »Wenn er bei BDI kollabieren würde, dann wäre das schon um einiges unangenehmer. Dann ist zu befürchten, daß wir alle in Verdacht geraten – jeder, der ein Loyalitätsmodul besitzt. Man wird das Problem bis ins kleinste durchleuchten. Für die Liga hieße das zumindest, daß wir alle Aktivitäten einige Jahre ruhen lassen müßten – vielleicht für immer. Und im schlimmsten Fall riskieren wir buchstäblich alles.« Er zuckt mit den Achseln. »Aber das gilt auch für jeden anderen Versuch, an die Information heranzukommen. Wir müssen uns eben entscheiden, jetzt und hier: Wollen wir weiter so vorsichtig sein, daß unser Handeln kaum vom Dienst an der Pseudo-INITIATIVE zu unterscheiden ist? Oder wollen wir einen ernsthaften Schritt in Richtung unseres großen Ziels tun?«
    Das ist reine Rhetorik, zweifellos, denn unser großes Ziel gibt es gar nicht, es gibt für jeden von uns ein Ziel, das von dem der andern völlig verschieden ist. Aber niemand scheint sich an Luis Worten zu stören. Die Pseudo-INITIATIVE mag ihre verschiedenen Gruppen und Parteien haben (und ironischerweise ist das das Hauptargument, mit dem Lui mich gegen sie eingenommen hat), aber die Liga ist eindeutig – und ohne sich dessen zu schämen – tausendmal schlimmer. Was machen sich diese Leute hier eigentlich vor?
    Glauben sie, daß eines schönen Tages wie durch ein Wunder sich ihre Idee von der INITIATIVE als wahr erweisen wird?
    Ich weiß es nicht. Wie soll ich je wissen, was in diesen Köpfen hier vorgeht, wenn ich nicht einmal weiß, welches meine Idee von der wahren INITIATIVE ist. Ich versuche mir vorzustellen, frei zu sein von BDI, von ASR, damit ich ganz und gar loyal sein kann… für wen oder was?
    Jetzt redet Chan Kwok-hung, aber ich kann mich nicht um das kümmern, was er sagt. Ich bin es leid, mich um die Frage aller Fragen zu drücken: Wer oder was ist die INITIATIVE – für mich?! Ich muß es herausfinden, ich muß mich entscheiden für irgendeine Interpretation. Wie groß ist mein Spielraum? Wieviel Freiheit habe ich bei meiner Definition? Wie stark kann ich den >Knoten< in meinem Gehirn verformen?
    Da fällt mir ein, daß es

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