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Quarantäne

Quarantäne

Titel: Quarantäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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kommen, uns verteidigen zu müssen.«
    Chan Kwok-hung schüttelt den Kopf. »Auch wenn die falsche INITIATIVE nur ein Zerrbild unseres Ideals ist, sie kann immerhin als Schablone oder als Grundgerüst dienen für das, was wir aus ihr machen wollen. Deshalb dürfen wir ihr keinen Schaden zufügen, im Gegenteil, wir müssen sie nach Möglichkeit verbessern, sie unserem Ideal ähnlicher machen, Jahr für Jahr. Auch wenn diese Aufgabe sich vielleicht als undurchführbar erweist – wir müssen es versuchen, um unsrer selbst, um unsrer Seelenruhe willen.«
    Vorsichtig sagt Lui: »Alle diese Vorschläge sollen bedacht werden – wenn es an der Zeit ist –, aber wenn wir unseren Eigenzustandsgenerator nicht kriegen, dann wird aus keinem davon etwas werden. Und das ist der Punkt, an dem ich auf unseren Nick zurückkommen will.«
    Er wendet sich mir zu, und auch alle die andern tun das.
    Etwas verlegen sage ich: »Das soll wohl heißen, daß Sie alle Lui Kiu-chungs Plan kennen – und daß Sie alle ihn mit den anderen Mitgliedern diskutiert haben. Ich wüßte gern, was Sie darüber denken. Wir sind uns anscheinend einig, daß wir die Konstruktionspläne haben müssen – aber ist dieser Weg wirklich der beste? Gibt es Probleme, Gefahren, die wir nicht erkannt haben? Ist es sicher, daß es überhaupt funktionieren kann?«
    Lui unterbricht mich. »Darüber gibt es keinen Zweifel. Man braucht sich nur einmal anzusehen, wozu Laura Andrews in der Lage ist – eine hochgradig geistig Behinderte. Man braucht sich nur anzusehen, was Chung Po-kwai tun kann, im Schlaf. Mit Po-kwais Hilfe – indem wir ihren Eigenzustandsgenerator >borgen<, während sie schläft, kann nichts und niemand Nick aufhalten. Er wird einen Weg finden, der ihn sicher vom ASR-Gebäude durch die Stadt zu BDI führt, in den Tresor, und auch wieder zurück, so unwahrscheinlicher auch ist.«
    Es mir von neuem anhören, laut anhören zu müssen ruft Widerstand hervor. Ich höre den Widerhall in meinem Schädel, und ich glaube nicht ein Wort davon. Nach dreißig Jahren, in denen sie ihr Talent üben konnte, brachte Laura Andrews nicht mehr zustande, als die drittklassigen Sicherungen des Hilgemann zu überwinden und allerhöchstens ein paar Kilometer herumzuspazieren, bevor sie kollabierte. Ich sollte durch eine dichtbevölkerte Stadt wandern und das Kronjuwel der INITIATIVE aus dem BDI-Gebäude stehlen – und das ohne das Modul mit dem Eigenzustandsgenerator in meinem Schädel.
    Chan Kwok-hung sagt: »Er wird doch lange genug verschmiert bleiben, oder? Das ist doch sicher?«
    Lui sagt: »Unser Modul, das den Kollaps verhindert, wird in ein paar Tagen fertig sein.«
    Yuen Lo-ching sagt: »Aber diese früheren… Störungen? Wie erklären Sie die?«
    Lui, achselzuckend: »Vielleicht eine zufällig hervorgerufene Verzögerung des Kollaps. Vielleicht liegt es auch an E3, das Modul zur Verhaltensoptimierung, das er damals benutzte. Es soll die Wahrscheinlichkeit günstiger Bewußtseinszustände erhöhen – was eigentlich wie das Gegenteil von Verschmieren klingt –, aber ironischerweise könnte das unbeabsichtigt zur Verzögerung des Kollaps geführt haben: Der Kollaps wurde möglicherweise als >unerwünschter Zustand< definiert, der ausgeschlossen werden mußte. Und das hat natürlich so lange keine Konsequenzen, solange der Eigenzustandsgenerator nicht an der Sache beteiligt ist.«
    Von dieser Theorie höre ich nun das erste Mal – und ich sehe nicht ein, wieso E3 bei seinem Versagen auch noch die wesentliche Rolle gespielt haben soll. Obwohl… hatte ich nicht das Gefühl – als es vorbei war –, als hätte ich mich die ganze Zeit im Wächter-Modus befunden? Vielleicht war ich aktiviert und inaktiviert zugleich – . vielleicht blieben beim Kollaps Spuren dieser doppelten Vergangenheit erhalten. Normalerweise mochte nur die Erinnerung an einen einzigen Eigenzustand überdauern – aber mit Po-kwais Eigenzustandsgenerator, der die verschiedenen, sich vermeintlich ausschließenden Möglichkeiten kombinierte und ständig veränderte, war nicht einmal das mehr gesichert. Ich erinnere mich, wie Karen sich über das ganze Zimmer ausbreitete – da gibt es nichts zu rütteln. Aber was war das denn? Eine einzelne, verrückte Halluzination, ausgelöst von einem wildgewordenen Modul? Erinnerungen aus tausend verschiedenen parallelen Leben, von denen jedes für sich banal und gewöhnlich war?
    Sicher ist die Aussicht, mehrere Stunden im verschmierten Zustand zu sein, schon

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