Quarantäne
aus ganz verschiedenen Gründen. Jedem ist geholfen, solange wir über Ideen uneins sein dürfen und über das, was in ferner Zukunft geschehen muß.« Ich schüttle den Kopf, das ist wirklich verrückt. »Und aus welchem Grund tun Sie es? Sie sind doch die treibende Kraft – aber nie haben Sie gesagt, warum Sie es tun.«
Wieder dieses erstaunte Stirnrunzeln. »Ich habe es doch gesagt, gerade eben?«
»Wann?«
»Vor höchstens fünf Sekunden.«
»Dann muß ich es überhört haben.«
»Alles, was ich will«, sagt er, »ist, daß jedermann bekommt, was er will. So einfach ist das.«
Drei Tage nach unserem Treffen mache ich auf meinem Nachhauseweg, nachdem ich die U-Bahnstation verlassen habe, einen kleinen Umweg. Ich gehe zu einem winzigen Laden, in dem man rezeptfreie Arzneimittel und anspruchslose Module für biologische Zwecke kaufen kann: >intelligente< Kosmetika, selbsttätige Tätowierungen, >natürliche< Aphrodisiaka (was heißen soll, daß sie direkt auf die Genitalnerven wirken, nicht aufs Gehirn), Bodybuildingmodule (der einfache Weg zur aufgebläht-nutzlosen Muskulatur) und Neuromodule jener Sorte, wie sie eigentlich als Gratisbeigabe in den Karton mit Frühstücksflocken gehören. Ich habe keine Ahnung, was für einen lichtscheuen Bastler Lui mit der Herstellung des kollapsinhibierenden Moduls beauftragt hat, aber daß ich es ausgerechnet hier abholen soll, erfüllt mich nicht mit Zuversicht.
Ich nenne die Abholnummer, die Lui mir genannt hat, und der Ladeninhaber übergibt mir eine kleine Plastikampulle.
Bevor ich mich schlafen lege, sprühe ich mir den Inhalt der Ampulle in das rechte Nasenloch, damit die modifizierten Einzeller – Entamoeba histolytica, die neben anderen erfreulichen Dingen auch für Hirnhautentzündung zuständig sind – ihre Fracht an Nanomaschinerie ins Gehirn transportieren können. Ich liege noch einige Zeit wach, denke über die erstaunlichen Leistungen dieser Miniroboter nach, was die Navigation in meinem Kopf und die Verdrahtung von Hirnzellen betrifft, und wünsche mir vor allem, daß ich doch wenigstens Lui gefragt hätte, wieviel Erfahrung er mit dem Entwerfen von Neuromodulen hat. Sicher hatte der Hersteller die neuesten und zuverlässigsten Geräte benutzt – aber eine fehlerlose Umsetzung und Programmierung schloß fatale Folgen nicht aus, wenn der Entwurf zu nichts anderem taugte, als lebenswichtige Gehirnzentren in einen einzigen Kabelsalat zu verwandeln.
Schließlich gebe ich es auf. Wozu sich sorgen, ich tue mein Bestes, um der INITIATIVE zu dienen, und wenn mich das nicht tröstet, dann…
Ich starre an die Decke, auf einen schmalen Streifen Sonnenlicht, der durch eine Ritze in der Jalousie dringt.
Ich beschließe, einzuschlafen.
Master weckt mich, wie geplant, drei Stunden früher als sonst. Nun gut, ich bin weder tot, gelähmt, taub, stumm noch blind. Noch nicht. Ich lasse die Testprogramme aller anderen Module laufen, und nirgendwo zeigt sich ein Schaden – aber das wäre auch das letzte, was man erwarten sollte. Die Neurone, die schon Teil eines funktionierenden Moduls sind, sind durch Antikörper an der. Zelloberfläche vor Manipulationen und Attacken anderer Zellen geschützt; aber das ist nur eine von vielen Modifikationen, die man gezielt rückgängig machen muß, will man sie aus ihrem Verband lösen und zur Bildung neuer Synapsen anregen.
Lui hat mir nicht gesagt, wie das Modul zu aktivieren ist, deshalb lasse ich mir von Utility (Axon, zweihundertundneunundvierzig Dollar) die Module samt ihren Programmen inventarisieren. Über den gemeinsamen Datenbus läuft nun die Aufforderung, sich zu melden und die für den Zugriff nötigen Informationen aufzulisten. Nur das Loyalitätsmodul schweigt feige und ist nicht einmal bereit, sein Vorhandensein einzugestehen.
Es stellt sich heraus, daß der Kollapsinhibitor sich hinter einem Spiel-Modul der übelsten Sorte versteckt. Hypernova heißt das Machwerk (von Virtual Arcade, neunundneunzig Dollar) und verhält sich etwa zu von Neumann wie die einfachsten Spielcomputer meiner Kindheit zu einem PC. Ich blättere durch Menus und Erläuterungen: Man kann Programme von On-line-Bibliotheken überspielen oder von ROM-Chips, entweder über Transmitter oder die gute, altmodische Art: durch sichtbares Licht.
Keine schlechte Idee, die Tarnung noch etwas plausibler zu machen; niemand trägt ein Spiel-Modul ohne Programm mit sich herum. Ich lasse mich mit der Bibliothek von Virtual Arcade verbinden. Der
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