Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quarantäne

Quarantäne

Titel: Quarantäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
Vom Netzwerk:
aktuelle Bestseller ist ein historisches Kriegsspiel für Waffenfetischisten, Basra 91, das die Schlächterei aus der Perspektive der Cruise Missiles zeigt – mit authentischen Aufnahmen der Zielsuchoptik. Das möchte ich mir ersparen und übernehme dafür Metaschach in meinen Speicher, das meistverkaufte Spiel der vergangenen Woche: >Jede Stellung der Figuren führt zu einem völlig neuen Satz von Regeln.<
    Ich spiele einige Zeit (und verliere als Neuling ganz gewaltig) und probiere zwischendurch aus, was sich mit dem Modul so machen läßt. Aber nach zwanzig Minuten habe ich noch immer keine Spur jener Geheimtür gefunden, die zum Kern der Sache führt. Ich frage mich, ob dafür vielleicht eine Befehlsfolge nötig ist, auf die man nicht von allein kommt, als mir einfällt, daß ich ja eine der Funktionen noch nicht ausprobiert habe. Ich kehre zurück zum Menü für das Überspielen von Programmen und wähle den Eingang >sichtbares Licht<. Anstatt eines Hinweises, daß sich vor meinen Augen keineswegs ein kompatibles Lichtmodem befindet, erscheinen nur zwei Wörter: AUS und AN. Neben AUS leuchtet ein Kontrollämpchen.
    Ich zögere, doch komme ich nicht darum herum, dieses verdammte Ding auszuprobieren, früher oder später – und wenn es nichts anderes als Mist zustandebringt, dann ist es besser, ich finde das hier und jetzt heraus anstatt in der Diele von Po-kwais Wohnung.
    Der Unterschied zwischen der bloßen bildhaften Vorstellung und einem ausdrücklichen Befehl an ein Modul ist schwer zu beschreiben – aber man lernt es schnell und macht es dann ohne groß nachzudenken, nicht anders, als würde man eine intendierte Bewegung in die Tat umsetzen. Nur unter Streß muß man sich dann ein wenig konzentrieren. Als ich mir vorstelle, daß das Kontrollämpchen nun an die AN-Position wandert, ist mir deutlich bewußt, daß das Bild meiner Vorstellung eigentlich das Menü selbst ist.
    Nichts ist passiert, nichts hat sich geändert – und nichts dergleichen war auch zu erwarten. Ich hebe eine Hand und mustere sie kritisch, doch zeigt sie keinerlei Neigung, sich in einen Nebel aus unzähligen Alternativen aufzulösen. Das ganze Zimmer bleibt, wie es ist – ein gewöhnliches Zimmer aus fester, beständiger Materie. Soweit ich das beurteilen kann, ist auch mein Bewußtseinszustand unverändert – einmal abgesehen von jenem Stein, der mir vom Herzen gefallen ist, weil ich noch immer nicht blind, gelähmt oder wahnsinnig geworden bin. Lui scheint sein Geschäft in der Tat zu verstehen. Könnte sein, daß das Modul funktioniert.
    Und wenn dem so ist, müßte ich jetzt verschmiert sein – auch dann, wenn nichts darauf hinzudeuten scheint. Daß alles um mich schlechthin normal erscheint, daß die Welt nicht mehrdeutig, nicht immateriell ist, kommt daher, daß ich in absehbarer Zeit kollabieren werde – ohne Po-kwais Eigenzustandsgenerator, der die Wahrscheinlichkeiten durcheinanderbringt, der die verschiedenen Möglichkeiten vermischt, die Wirklichkeit verzerrt.
    Ich werde kollabieren? Vielleicht ist es richtiger zu sagen, daß ich längst kollabiert bin – mich eigentlich schon in der Zukunft befinde und dieses Erlebnis rückblickend betrachte. Wenn der Spin eines Silberions gemessen ist, dann erst steht der Zustand des Ions fest, hat Po-kwai mir erklärt, nicht eher.
    Ich muß lachen. Trotz allem, trotz Lauras Kunststückchen, trotz Po-kwais erfolgreicher Ionendressur, trotz der eigentlich unmöglichen Fehlleistungen meiner Module kann ich es noch immer nicht glauben. Und obwohl ich weiß, daß das das Geheimnis, das Herzstück der INITIATIVE ist, erscheint mir das alles wie ein wichtigtuerisches Philosophieren auf dem Niveau von Erstsemestern. So, wie ich es erlebe, erprobe ich gerade des Kaisers neues… Modul.
    Ich visualisiere das Menu, wähle AUS…
    … und frage mich, welche der vielen Versionen von mir das nun eigentlich tut. Sind sie nun ausgelöscht worden, als das Modul den Kollaps auslöste… obwohl einige von ihnen jetzt hier im Zimmer oder sogar in der ganzen Stadt verstreut sein müßten?
    So muß es wohl sein – ich habe sie ausgelöscht, ich oder irgendein anderer Beobachter, dem sie über den Weg gelaufen sind.
    Wirklich alle?
    Ich sollte das Modul endlich vergessen; der Kollapsinhibitor ändert nichts außer dem Zeitablauf. Der Gang der Ereignisse wird sich nicht ändern, das Endprodukt wird unweigerlich die Normalität sein. Wie häufig oder wie selten unser Gehirn den Kollaps bewirkt, es wird ein

Weitere Kostenlose Bücher