Quarantäne
einem auch nur ein Funken davon bewußt geworden ist?«
»Um eine Fertigkeit einzusetzen, braucht es keine bewußte Erinnerung. Oder wissen Sie vielleicht noch, wie Sie gehen gelernt haben? Natürlich, wenn ich mit der Zeit geschickter im Manipulieren von Eigenzuständen geworden bin, dann muß diese Fertigkeit irgendwie in meinem Gehirn gespeichert sein – aber sicher nicht als eine gewöhnliche Erinnerung, und möglicherweise in einer Weise, daß ich im kollabierten Zustand absolut nichts damit anfangen kann. Schließlich ist der Eigenzustandsgenerator ein Modul, das nur arbeitet, wenn es verschmiert ist – da ist es doch gut möglich, daß auch andere Teile meines Gehirns nur im verschmierten Zustand arbeiten: Schaltkreise, die sich während des Experiments, als Reaktion auf die ungewöhnlichen Vorgänge, neu formiert haben!«
»Soll das heißen, daß sie im verschmierten Zustand wissen, wie der Eigenzustandsgenerator einzusetzen ist – aber daß dieses Wissen nach dem Kollaps unzugänglich ist?«
»Genau das. Das Wissen wird während des verschmierten Zustands gespeichert, weshalb es nicht sonderlich überrascht, wenn ich es nur verschmiert mir ins Bewußtsein rufen kann.«
»Aber… wie kann diese Information nach dem Kollaps, bis zum nächsten Verschmieren, überdauern, wenn der Kollaps alle Eigenzustände bis auf einen auslöscht?«
»Weil das nicht stimmt! Das gilt nur, wenn die Eigenzustände nicht in Wechselwirkung treten können – aber der Eigenzustandsgenerator bewirkt genau das. Auch daran ist nichts neu: Systeme, die nach dem Kollaps Hinweise enthalten, daß sie tatsächlich verschmiert waren. Jedes zweite wesentliche Experiment der frühen Quantenmechanik hat sich damit befaßt. Und unwiderlegbare Beweise für die Koexistenz zahlreicher Eigenzustände nebeneinander gibt es schon seit hundert Jahren – Beugungsmuster von Elektronen, Hologramme… jede Art von Interferenzeffekt. Sicher wissen Sie, daß die alten, fotografischen Hologramme mit einem zweigeteilten Laserstrahl gemacht wurden, von denen einer am Objekt vorbeigeleitet wurde; durch das Kombinieren der beiden Teilstrahlen ergab sich dann ein Interferenzmuster, das man auf einem Foto speicherte.«
»Und was hat das mit dem Verschmieren zu tun?«
»Wie teilt man einen Laserstrahl in zwei Teile? Man richtet ihn auf einen halbdurchlässigen Spiegel im Winkel von fünfundvierzig Grad zur Richtung des Lichtbündels; die Hälfte des Lichts wird dann zur Seite abgelenkt, die andere Hälfte geht durch den Spiegel. Aber wenn ich sage, daß >die Hälfte des Lichts abgelenkt wird<, heißt das natürlich nicht, daß jedes zweite Photon abgelenkt wird – es heißt, daß jedes einzelne Photon über zwei verschiedenen Zustände verschmiert wird, es existiert als abgelenktes Photon und als eines, das ungehindert den Spiegel durchquert, zugleich.
Und wenn Sie jetzt messen wollten, welchen Weg jedes einzelne Photon nimmt, dann würden sie das System kollabieren und einen von beiden Zuständen festlegen – und damit hätten Sie das Interferenzmuster, also das ganze Hologramm, zerstört. Aber wenn man die beiden Strahlen sich ungehindert rekombinieren läßt, damit beide Zustände wechselwirken können, dann erhält man ein Hologramm und somit einen eindeutigen Beweis, daß beide Zustände gleichzeitig existiert haben .
Und nicht anders kann auch durch die Wechselwirkung zweier verschiedener Versionen meines Gehirns ein Stück Information über den verschmierten Zustand konserviert werden. Und so, wie das Interferenzmuster des Laserlichts an sich für das nackte Auge völlig nichtssagend ist und keinerlei Ähnlichkeit mit dem abgebildeten Objekt hat, so kann auch die in meinem Gehirn gespeicherte Information sogar für mich völlig unverständlich sein – was nichts daran ändert, daß sie Voraussetzung für die überirdischen Fähigkeiten der verschmierten Po-kwai ist.«
Ich gehe darauf ein. »Na schön. Aber wenn das nun die Art und Weise ist, nach der die >verschmierte Po-kwai< Dinge gelernt hat, von denen Sie nicht das geringste wissen… gibt es denn irgendeine Methode, mit der Sie sie unterstützt haben, genau das und nichts anderes zu lernen?«
»Diese Ionen-Litanei hat möglicherweise geholfen. Aber ich glaube eher, daß der Wunsch, daß das Experiment zum Erfolg führt, die größere Rolle spielte. Je mehr ich es wollte, desto größer war die Zahl meiner Versionen, die es ebenfalls wollten, wenn ich erst verschmiert war – und
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