Quarantäne
einen Effekt zu entdecken. Doch das Ergebnis, das zu guter Letzt vermeldet wird, überrascht mich nicht im geringsten. Gerade steige ich auf dem Nachhauseweg aus der U-Bahn, als vor meinen Augen die Anzeige aufleuchtet:
NULLHYPOTHESE BESTÄTIGT.
Als ich zum Dienst erscheine – in Po-kwais Wohnung, denn eigentlich sollte sie heute einen Ruhetag haben –, beordert man mich in das Labor. Dort erklärt mir Lee, daß die Versuchsperson der Meinung sei, nun nicht mehr so rasch zu ermüden, daß es von nun an getrost zügiger weitergehen könne.
Ich tue, was man von mir erwartet; stehe da und passe auf, wachsam und mit Argusaugen – als wollte ich heute wiedergutmachen, was ich mir während der Nacht an Unbotmäßigkeit erlaubt habe. Ich achte nicht auf das Gerede der Wissenschaftler, warte nicht auf Ergebnisse oder sonst etwas. E3 sorgt dafür, daß ich Aufpasser bin und sonst gar nichts – bereit, in Sekundenschnelle zuzuschlagen, falls nötig, aber bis zu diesem Notfall träge und passiv wie ein dösendes Raubtier.
Als Po-kwai eine Stunde später aus dem Versuchsraum kommt, ist Schluß für heute. Im Fahrstuhl, auf dem Weg ins Restaurant, frage ich sie: »Wie lief’s denn so?«
»Sehr gut. Jede Menge Ergebnisse am Nachmittag.«
»So schnell schon?«
Sie nickt zufrieden. »Ich glaube, ich habe da eine kritische Schwelle überwunden; alles wird immer einfacher. Nun… Sie wissen, was ich meine. Eigentlich tu ich ja nichts, wie gewohnt. Es ist nicht mein Verdienst – aber es sieht fast so aus, als hätte die verschmierte Po-kwai jetzt Initiative im Griff.«
Zuerst will ich sie bitten, das noch einmal zu sagen. Aber wozu, ich habe es laut und deutlich gehört, und was es heißt, steht außer Zweifel. Und wenn sie den Namen des Moduls bisher noch nicht genannt hat, dann deshalb, weil man – Leung etwa? – es ihr nachdrücklich eingeschärft hatte. Nachdrücklicher jedenfalls als die anderen Details der >paranoiden< Sicherheitsvorkehrungen, wie sie so lange glaubte.
Ich sehe keine Notwendigkeit, sie wegen dieses Lapsus zu tadeln.
Geduldig leiste ich ihr Gesellschaft beim Essen und nicke höflich, während sie sich über die langweilige Speisekarte beschwert.
Geduldig sitze ich in der Diele und lausche, wie sie in der Wohnung umherwandert, und frage mich, was diese Neuigkeit denn für einen Unterschied macht. Tut sie das?
Um ein Uhr früh inaktiviere ich E3, und jetzt kann ich mich endlich von Herzen freuen. Die wahre INITIATIVE ist nichts anderes als das Modul! Das Rätsel ist gelöst, das ist mehr, als ich zu hoffen wagte: Mein Glaube wurde nicht enttäuscht, der Gegenstand meiner Verehrung hat sich mir offenbart – und als würdig erwiesen. Doch scheint im Rückblick nichts anderes möglich gewesen zu sein. Und was könnte mich mehr darin bestärken, meine virtuellen Ichs auf den rechten Weg zu bringen, sie zur Unterstützung meiner Mission zu bewegen?
Ich hole das Würfelspiel aus der Tasche, aktiviere die Module und versuche es erneut.
Die Würfel fallen Mal um Mal, wie es Würfel tun: zufällig, unvorhersehbar – aber ich lasse mich nicht entmutigen. Auch mein verschmiertes Ich kann nicht zaubern, die unwahrscheinlichste aller Möglichkeiten auf der Stelle wahr werden lassen, so sehr ich es auch wünsche… erst recht nicht, wenn ich es alle sechs Sekunden kollabieren lasse und wieder von vorn beginne, ganz gleich, was für Spuren der verschiedensten Zustände in meinem Gedächtnis überdauert haben.
Und muß ich denn so oft kollabieren? Nach jedem Wurf? Unbestritten hat Po-kwai auf diese Weise Erfolg gehabt – und der Kollaps nach jedem einzelnen Ion bedeutete, daß sie sich nur auf eine von zwei Möglichkeiten konzentrieren mußte: Das vereinfachte die Aufgabe beträchtlich. Aber was ich lernen muß, ist etwas ganz anderes; Initiative ist nicht in meinem Schädel, sondern in ihrem. Vielleicht muß ich länger verschmiert sein, um das Modul beeinflussen zu können. Wie lange war ich denn verschmiert gewesen, als Karen ungebeten auftauchte? Das kann ich unmöglich wissen, wenn das ohne mein Zutun passiert ist.
Jetzt ist das anders.
Ich lasse das Wörtchen AN aufleuchten.
Auf dem Tisch neben mir tanzen die Hologramm-Würfel auf und ab. Sie wirken fast echt, die glatten Oberflächen glitzern, als würden sie das Licht aus der Umgebung reflektieren, beim scheinbaren Aufprall auf die Tischplatte hört man ein Klicken.
Zweimal die Eins – wie ich es wollte.
Krampfhaft unterdrücke ich den schon
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