Quarantäne
zum Reflex gewordenen dritten Befehl, der Hypernova abschaltet, und gebe das Ergebnis sofort in das Statistikprogramm ein. Ich frage mich nämlich, ob auf diese Weise nicht auch von Neumann verschmieren müsse, so daß nun an unzählige Versionen davon entstehen, jede mit einer anderen Kombination aller möglichen Resultate. Ich brauche mich um das Ergebnis eines einzelnen Wurfs nicht zu kümmern, ich muß nur jenen besonderen Eigenzustand suchen, der das gewünschte Endergebnis beinhaltet. Eine so einfache Aufgabe müßte doch bewältigen, wer der Unterstützung von Initiative sicher sein kann.
Eins – eins, nun das zweite Mal.
Und zum Dritten.
Und wenn ich jetzt kollabiere, bevor noch das Statistikprogramm sich mit dem Ergebnis befassen kann? War es dann nichts weiter als Zufall? Ein seltener – aber eben nicht signifikanter – Glücksfall? Oder ist das, was ich erlebe, der Beweis, daß ich noch immer verschmiert bin, ohne daß ein Ende abzusehen ist?
Eins, eins, zum vierten Mal. Bei sechsunddreißig Würfen dürfte das gerade einmal passieren; die Wahrscheinlichkeit einer Folge von vier oder mehr solcher Würfe – ein einziges Mal bei all den dreißigtausend Würfen in insgesamt zehn Nächten – ist nicht größer als 1,7 Prozent.
Ein fünftes Mal… 0,048 Prozent. Da ich dem Programm einen Schwellenwert von 1 Prozent als positives Ergebnis vorgegeben habe, kann ich mich vor den triumphierend aufblitzenden Erfolgsmeldungen kaum retten.
Sechsmal… macht 0,0013 Prozent.
Siebenmal… 0,000.037 Prozent.
Achtmal… 0,0.000.010 Prozent.
Ich höre auf, die Werte einzugeben, und starre nur noch auf die Würfel, die auf- und abtanzen mit immer demselben Ergebnis, als könnten sie gar nicht anders. Wie ein billiges, einem einfachen, stereotypen Programm folgenden Reklamehologramm. Vielleicht hat der Zufallsgenerator den Geist aufgegeben, nichts weiter. Aber wie? Und warum? Soll ich etwa glauben, ich hätte die Elektronik beeinflußt durch schiere Willenskraft? Soll ich die abgestandene Telekinese-Theorie wieder aufwärmen – und physikalische Effekte unterstellen, die ganz ausgeschlossen sind? Ich habe doch nicht einmal versucht, diesen Apparat zu beeinflussen; ich habe nichts anderes getan, als zuzuschauen. Po-kwai hat recht: Es ist das verschmierte Ich, das alles nötige tut.
Ich werde nicht daran vorbeikommen, die Wahrheit zur Kenntnis zu nehmen, endlich: Mein Leben ist eine Version von Quadrillionen Leben, die ich leben könnte… eine Version, die zufällig aus diesem Ozean von Möglichkeiten aufgetaucht ist – durch die gemeinsame Anstrengung aller Versionen, von denen ich fast alle auslöschen werde (sofern ich es nicht schon getan habe).
Ich schalte aus.
Die Würfel tanzen weiter: Eine Drei und eine Vier. Zwei und Eins. Zwei Sechsen.
Mit zittrigen Händen wische ich mir den Schweiß vom Gesicht, ein Zittern aus freudiger Erregung, vor Stolz auf meinen Erfolg – und aus Angst.
Ich greife nach der Sitzfläche meines Stuhls; es ist dasselbe kühle, glatte Metall wie immer. Es dauert nicht lange, bis ich mich wieder beruhigt habe. Ich habe es unbeschadet überstanden, ich bin noch derselbe – oder etwa nicht? Und ich habe weniger zu fürchten denn je; es wird keine Fehlfunktionen meiner Module mehr geben, keine Halluzinationen: Ich bestimme jetzt, was vorgeht.
Und so bizarr auch immer die metaphysischen Verwicklungen sein werden, mit denen ich nun fertig werden muß, mir bleibt ein sehr einfacher Trost: Am Ende, wenn ich den Knopf drücke, wenn ich abschalte und die Wellenfunktion zum Kollaps bringe… finde ich mich dort wieder, wo man nicht immer gerne ist: in einer stinknormalen Welt.
10
Mit dem Elan eines Streiters für die Liga legt Lui nun meine nächsten Schritte bei der Erprobung des Moduls fest. Auf die Idee, daß ich etwas falsch machen könnte, daß mein Vorgehen vielleicht grundsätzlich in die Irre führen müsse, kommt er erst gar nicht. Auf seine Anregung hin versuche ich es mit einigen anspruchsvolleren Würfeltricks: Folgen von zwei, drei oder vier verschiedenen – vorher festgelegten – Ergebnissen; Würfe, bei denen nur Primzahlen herauskommen dürfen; Serien, bei denen nur identische Augenzahlen auf beiden Würfeln erlaubt sind. Was die Wahrscheinlichkeit betrifft, sind solche Ergebnisse kaum spektakulärer als jene meines ersten erfolgreichen Versuchs – teilweise läßt sogar die Signifikanz zu wünschen übrig –, doch wenn es um die Auswahl des richtigen
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