Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quarantäne

Quarantäne

Titel: Quarantäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
Vom Netzwerk:
Eigenzustands geht, dann dürfte ein kompliziertes Muster doch mehr an Geschicklichkeit erfordern.
    Wieder zeigt sich, daß der entscheidende Punkt für den Erfolg mein Glaube daran ist. Der richtige Eigenzustand stellt sich ein, wenn es eine Version von mir gibt, die vom günstigen Ausgang fest überzeugt ist… und wenn einem meiner virtuellen Ichs ein Flüchtigkeitsfehler unterlaufen sollte, daß es die Summe aus drei und fünf für eine Primzahl hält, dann könnte es durchaus damit belohnt werden, zu meinem wahren Ich zu werden. (Vielleicht ist schon einiges dieser Art passiert, mehr als einmal; vielleicht >mutiere< ich schon seit einiger Zeit zu einer immer weniger aufmerksamen, weniger kritischen und vernünftigen Person. Wenn es diese Art >Evolution< war, die Laura die richtige Gehirnstruktur für ihr Talent, für das Vorbild von Initiative bescherte, dann sollte ich mir die möglichen Auswirkungen einmal durch den Kopf gehen lassen.) Ich könnte mir eine Mini-Videokamera kaufen und die ganzen Experimente filmen, um mir die Aufzeichnung dann nach dem Kollaps anzuschauen –, doch möchte ich nicht gern mit allerlei verräterischen Sachen in den Taschen ertappt werden. Erwischt man mich mit dem Würfelspiel, dann könnte das noch als harmloser Zeitvertreib durchgehen – ich könnte vorgeben, daß E3 wieder einmal versagt hätte und ich ohne eine Ablenkung diese schweren Stunden am frühen Morgen nicht durchstehen könnte. Aber wie sollte ich erklären, daß ich mich dabei filme?
    Während der Erprobung gilt es immer wieder Phasen durchzustehen, in denen meine Entschlossenheit wankt, aber auch das geht vorüber. Was ich tue, ist das, was die wahre INITIATIVE von mir verlangt – da bin ich absolut sicher. Und wenn das Verschmieren genau das Gegenteil von allem ist, was ich je wollte, das Gegenteil dessen, wofür ich gelebt habe: nämlich die Kontrolle über mich und das, was ich werden kann, dann ist zweifellos die perfekte Kontrolle, die Initiative mir ermöglicht, mehr als ein Ausgleich für die Risiken, die ich eingehe… solange ich es bin, der am Hebel sitzt, auf welchen Umwegen auch immer. Solange mein Wille gilt, wenn ich verschmiert bin.
    Manchmal meldet sich ein versteckter Zweifel zu Wort: Wenn ich es nicht bin, der Initiative aktiviert, wer ist es dann? Welcher meiner kurzlebigen Doppelgänger hat diesen Trick erlernt?… und wenn er das wirklich geschafft hat, warum läßt er dann zu, daß er beim Kollaps stirbt? Warum unterstützt er andere Eigenzustände, wenn er die Möglichkeit hat, sich selbst wirklich werden zu lassen?
    Doch je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr muß ich Po-kwai recht geben: Mein verschmiertes Ich – die Summe aller Eigenzustände – gebraucht Initiative; es gibt keine Version, die das allein auf sich gestellt könnte. Wer immer sonst nach dem Kollaps weiterexistierte, er würde sich in Klagen über sein Nichtwissen ergehen, genauso wie ich eben. Das Wissen muß delegiert sein, verteilt – nicht anders als das Wissen in einem Nervensystem. Auch in meinem Gehirn gibt es keine einzelne Nervenzelle, in der das Wissen um irgendeine meiner Fertigkeiten gespeichert wäre. Wie kann ich da erwarten, daß eine einzelne Version von mir über die Geheimnisse meines verschmierten Ichs verfügte? Und ob der verschmierte Nick Stavrianos den Trick jedesmal neu lernen muß oder ob das Wissen auf irgendeine Weise den Kollaps übersteht, nach Art des sprichwörtlichen Hologramms – es werden sich keine virtuellen Märtyrer, kein aufopferungsvolles Alter ego finden lassen, die >mir< ihr Wissen um das Modul zur Verfügung stellen, um dann klaglos in den Tod zu gehen…
    Und mein verschmiertes Ich? Das ist erst recht kein Märtyrer, für das gibt es nur ein mögliches Ergebnis: So oder so endet es immer im Kollaps.
    Was nicht notwendig heißt, daß immer ich es bin, der hinterher übrig ist.
     
    Fast hatte ich mich schon an die Experimente und die unvermeidlichen positiven Ergebnisse gewöhnt (…ich möchte Augenzahlen mit der Summe sieben… ich bekomme Augenzahlen mit der Summe sieben… was sonst?…), als Lui mir einen ganzen Stapel verschlossener Umschläge in die Hand drückt.
    »Das sind Listen mit jeweils hundert zufälligen Ergebnissen. Bringen Sie die Würfel dazu, sie zu reproduzieren.«
    »Sie meinen, ich soll die Listen durchgehen und dabei würfeln?«
    Er schüttelt den Kopf. »Was hätte das für einen Sinn? Schauen Sie in die Liste, nachdem sie gewürfelt haben – aber

Weitere Kostenlose Bücher