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Quarantäne

Quarantäne

Titel: Quarantäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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vor dem Kollaps natürlich.«
    Das erscheint mir nun doch ein bißchen stark – und, wie es nicht anders sein kann, alle Versuche schlagen fehl, vier Nächte hintereinander. Und um ehrlich zu sein: Ich bin richtig froh darüber. Es ist kindische, trotzige, hämische Schadenfreude, aber mir ist es recht – als ob der Fehlschlag mich für alle jene nun längst widerlegten >vernünftigen< Erklärungen entschädigen würde, an die ich mich so lange geklammert habe. Woher sollen denn die übereinstimmenden Ergebnisse kommen, wenn ich die Zahlen nicht einmal kenne? Natürlich geht das schief, wie kann es anders sein…
    Und zur gleichen Zeit weiß ich, daß auch an dieser Aufgabe nichts neu, nichts ungewöhnlich ist. Es hat mit Hellsehen ebensowenig zu tun wie die Ionen-Experimente mit Telekinese. Es ist eine Frage des richtigen Eigenzustands: Man wählt aus, und wählt man richtig, dann hat man zur Gegenwart auch die passende Vergangenheit.
    In der fünften Nacht notiere ich, wie zuvor, die Ergebnisse in einem Speicher von Utility, ziehe dann wahllos einen der Umschläge aus der Tasche und reiße ihn auf. Als die ersten drei Zahlen übereinstimmen, bin ich ziemlich sicher, daß es mit den übrigen siebenundneunzig nicht anders sein kann, doch überprüfe ich pflichtbewußt jede einzelne.
    Ich fühle nicht ein bißchen Verwirrung – oder gar Reue –, bis ich den Knopf für den Kollaps betätigt habe.
    Und überhaupt: Selbst wenn es möglich wäre – warum sollte ich?
     
    Lui reicht mir ein Vorhängeschloß, das durch eine Zahlenkombination gesichert ist, und schlägt so nebenbei vor: »Wie wär’s? Öffnen beim ersten Versuch?«
    »Sie meinen, ich soll die Zahl auswürfeln?«
    »Nein, ohne irgendein Maschinchen.«
    »Aber mit von Neumann?«
    »Nein. Erraten.«
    Ich sitze in Po-kwais Diele und warte, daß sie endlich einschläft. Ich frage mich, was sie wohl träumt, während ich ihr Modul >ausgeborgt< habe. Wahrscheinlich überhaupt nichts, wenn mein verschmiertes Ich den richtigen Eigenzustand auswählt… aber wie kann es das, ohne sie (vor dem Kollaps) zu wecken und zu fragen?
    Vielleicht gibt es Versionen von mir, die das wirklich tun.
    Ich inaktiviere E3, verschmiere und warte dann fünf Minuten. Ich will sichergehen, daß ich >verschmiert genug< bin, um Initiative richtig einsetzen zu können – und es ist weniger nervtötend, jetzt zu warten, noch bevor ich mich an die Arbeit gemacht habe, anstatt zu kollabieren, bevor ich erfolgreich war, um es noch einmal zu versuchen. Und da wird mir klar, daß ich gar keine Wahl habe: Ich kann nicht einfach kollabieren, wenn ich will – ich darf nicht.
    Wenn ich kollabiere, dann muß es auch der richtige Kollaps sein; das zu wissen ist nicht gerade beruhigend. Wieviel einfacher hat es da Po-kwai. Für mich muß es Eigenzustände geben, in denen ich den Kollaps früher oder auch später geschehen lasse, als in jenem Zustand, der schließlich realisiert wird. Aber was diese anderen Eigenzustände machen, bleibt irrelevant, natürlich – der Kollaps ist nur real, wenn er sich selbst real macht. Das hört sich an wie ein Zirkelschluß, aber es ist durchaus vernünftig: Die ganze Wellenfunktion kollabiert genau dann, wenn der Kollaps in dem gewählten Eigenzustand vorgesehen ist. Oder es ist zumindest aus der Sicht der >überlebenden< Version von mir vernünftig… Aber wie ist es mit jenen, die auch den Kollaps versucht haben, ohne daß es ihnen glückte? Wissen sie, daß sie gescheitert sind – und was bedeutet das? Oder sind sie doch nur mathematische Abstraktionen ohne Bewußtsein, ohne Gefühl, ohne Leben?
    Ich nehme das Zahlenschloß aus der Tasche und starre es an. Mir ist unbehaglich. Es ist bekannt, daß Menschen nicht gut im Erfinden von echten Zufallszahlen sind. Ich wünschte, ich hätte vor dem Verschmieren entschieden, Luis Vorschlag zu ignorieren und es mit Würfeln zu probieren. Was ist, wenn die Kombination 9999999999 heißt? Oder 0123456789? Ich zweifle nicht daran, daß meine Finger die Tasten in jeder beliebigen Reihenfolge drücken können – aber bin ich auch innerlich bereit, eine solche >unwahrscheinliche< Kombination zu erraten?
    Nun, ich wäre besser beraten, ich könnte es. Denn wenn nicht, dann findet mein verschmiertes Ich – mit der Hilfe von Initiative möglicherweise jemand anderen, der es kann.
    Ich muß laut lachen. Sich verändern heißt sich aufgeben. Das liegt doch eher auf Po-kwais Linie, nicht auf meiner. Außerdem ist es jetzt für

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