Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quarantaene

Quarantaene

Titel: Quarantaene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
beiläufig, eine schonende Darstellung des Unfalls, Herunterspielen, dann das Zusammenzucken ob seiner Reaktion. »In der Ambulanz«, sagte sie schließlich. »Ich …« Eine Pause. »Nein. Nein.« Pause. »Das ist nicht nötig, Ray. Nein. Du übertreibst maßlos.« Lange Pause. »Das ist nicht wahr. Du weißt, dass das nicht stimmt.«
    Sie beendete das Gespräch, ohne sich zu verabschieden, und brauchte ein wenig Zeit, um sich zu sammeln. Dann kam sie durchs Wartezimmer, zwischen dem üblichen Krankenhausmobiliar hindurch, die Lippen zusammengekniffen, die Haare zerzaust, die Kleidung blutbefleckt. Es lag eine steife Würde in ihrer Haltung, eine stillschweigende Zurückweisung dessen, was Ray Scutter zu ihr gesagt haben mochte.
    »Tut mir leid«, sagte sie, »aber würden Sie bitte schon mal das Auto starten? Ich hole Tess. Ich glaube, zu Hause ist sie besser aufgehoben.«
    Eine weitere höfliche Lüge, jedoch von einer unausgesprochenen Dringlichkeit. Er nickte.
    Auf dem Gehsteig zwischen Ambulanz und Parkplatz war es kalt und windig. Er war ganz froh, in Marguerites kleines Auto steigen zu können und den Motor anzulassen. Warme Luft blies aus den Fußbodenauslässen. Die Straße war leer, übersät von gewundenen Linien aufstiebenden Schnees. Er blickte zu den Lichtern der Plaza, des Einkaufszentrums. Die Sterne blinkten immer noch hell, und am südlichen Horizont konnte er die Positionslichter eines weit entfernten Düsenflugzeugs erkennen. Irgendwo flogen nach wie vor Flugzeuge; irgendwo ging die Welt noch immer ihren Geschäften nach.
    Ungefähr zehn Minuten später kam Marguerite mit Tess aus der Ambulanz, aber sie waren noch nicht am Auto angelangt, da donnerte ein weiteres Fahrzeug auf den Parkplatz und kam mit quietschenden Reifen zum Halten.
    Ray Scutters Auto. Marguerite beobachtete mit sichtlicher Besorgnis, wie ihr Exmann ausstieg und mit schnellen, aggressiven Schritten auf sie zukam.
    Chris überzeugte sich davon, dass die Beifahrertür nicht verschlossen war. Eine Konfrontation sollte besser vermieden werden. Ray legte einen gewissen Wütender-Stier-Habitus an den Tag. Doch bevor Marguerite es bis zum Auto geschafft hatte, griff schon Rays Hand nach ihrer Schulter.
    Marguerite hielt den Blick unentwegt auf ihren Exmann gerichtet, schob aber Tess hinter sich, stellte sich schützend vor sie. Tess hatte die verletzte Hand in ihre Schneejacke geschoben. Chris konnte nicht verstehen, was Ray sagte. Alles, was er über das Geräusch des Motors hinweg hören konnte, waren ein paar bellend hervorgestoßene Konsonanten.
    Zeit, Courage zu zeigen. Er hasste das. Das war es, was die Leute über sein Buch gesagt hatten, jedenfalls vor Gallianos Selbstmord. Wie couragiert von Ihnen, so etwas zu schreiben. Courage hatte ihm noch nie etwas eingebracht.
    Er stieg aus dem Auto und öffnete die Hintertür, damit Tess einsteigen konnte.
    Ray sah ihn erschrocken an. »Wer, zum Teufel, sind Sie denn?«
    »Chris Carmody.«
    »Er hat mir geholfen, Tess herzubringen«, sagte Marguerite hastig.
    »Und jetzt muss sie schnell wieder nach Hause«, sagte Chris. Tess war bereits auf den Rücksitz geschlüpft, rasch und geschmeidig, trotz der Behinderung durch die verbundene Hand.
    »Offensichtlich«, sagte Scutter, die zusammengekniffenen Augen auf Chris gerichtet, »ist sie dort nicht sicher.«
    »Ray«, sagte Marguerite, »wir haben eine Vereinbarung …«
    »Eine Vereinbarung, die vor der Isolierung aufgesetzt wurde von einem Scheidungsanwalt, den ich nicht erreichen kann.« Ray beherrschte den Tonfall testosterongeschwängerter Ungeduld, herrisch, gleichzeitig aber auch greinend. »Ich kann dir unmöglich meine Tochter anvertrauen, wenn du zulässt, dass solche Dinge passieren.«
    »Es war ein Unfall. So etwas kommt vor.«
    »Unfälle passieren, wenn Kinder nicht beaufsichtigt werden. Was hast du gemacht, wieder das Scheißsubjekt angestarrt oder was?«
    Marguerite fand nicht gleich eine Antwort, daher sagte Chris: »Es ist passiert, nachdem Tess zu Bett gegangen war.« Er gab Marguerite einen unauffälligen Wink, ins Auto einzusteigen.
    »Sie sind doch dieser Boulevardreporter – was wissen Sie denn darüber?«
    »Ich war da.«
    Marguerite hatte die Aufforderung verstanden und stieg ein. Ray wirkte frustriert und doppelt wütend, als er die Tür zuschlagen hörte. »Ich nehme meine Tochter mit zu mir«, sagte er.
    »Nein, Sir«, sagte Chris entschieden. »Tut mir leid, aber heute nicht.«
    Er behielt Blickkontakt mit Ray,

Weitere Kostenlose Bücher