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Quasikristalle: Roman (German Edition)

Quasikristalle: Roman (German Edition)

Titel: Quasikristalle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
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der kaufte prinzipiell alles von Saddle Creek . Oder warum so viele voller Begeisterung auf E-Books umgestiegen waren, es aber noch immer welche gab, die unbeirrt mit Papierbüchern in den Bussen saßen. Mit einem Buch kann ich wenigstens Mücken erschlagen, hatte Martins Mutter einmal gesagt, was typisch für seine Mutter war. Gut, bei technischen Neuerungen konnte man mit dem individuellen Konservativitätsfaktor argumentieren. Es gab Menschen, die wollten immer das Neueste, und andere waren prinzipiell skeptisch. Lieber etwas Altes, das dafür bestimmt funktioniert! Die Chefin, die als junge Frau an einer Doku über diesen Widerstandskämpfer Rozmburk mitgearbeitet hatte – war Martin damals schon geboren? –, hatte einmal erzählt, dass der bis zu seinem Tod stur auf einer Schreibmaschine geschrieben habe, obwohl es längst Computer gab.
    Martin jedenfalls hatte seit jeher für ROX arbeiten wollen, schon damals, als er das, was diese Xane Molin machte, bloß für eine Anarcho-Nummer im Internet hielt. Er erinnerte sich genau an den bierseligen Abend mit Benno und Cem, als sie alle drei noch in den Praktikumsschleifen festhingen. Beim Absacker nach der Arbeit sahen sie sich auf Martins iPad die ersten zwei Folgen des ›Rabattkönigs‹ an, jene kleinen Filmchen, mit denen ROX die Debatte um diesen Bundespräsidenten begleitete, der sich von Hinz und Kunz hatte einladen lassen. Feridun Shekri spielte in verschiedenen schrillen Kostümen die Verführer, Kreditexperten, Filmmogule, Finanzhaie, und Nico Bach den Präsidenten, zum Verwechseln ähnlich im taubengrauen Anzug, mit der Ausstrahlung eines Vertreters für Zimmerspringbrunnen. Allerdings lugten unter dem Vertreterhaarschnitt spitze Wolfsohren hervor. Shekri, in einer Folge sogar mit Hai-Mütze, flirtete und warb, lockte und bettelte, während Bach sich zierte und von Transparenz predigte, von ethischen Maßstäben, unersetzlichem Vertrauen und den Erwartungen der Menschen da draußen. Schließlich wandte er sich kopfschüttelnd ab, deutete dabei ein Kreuzzeichen an, die Kamera zoomte auf seinen Rücken, es erklang eine fiese Rap-Version der Nationalhymne, und dann kam, anatomisch unmöglich, unter dem Jackett, ungefähr an der Stelle seines Steißbeins, eine kleine gelbe Hand heraus, in die Shekri etwas legte, wobei der Rücken aufbrummte und zitterte, wie eine Maschine, die zur Ruhe kommt. Es war wahnsinnig komisch, zweieinhalb, drei Minuten, länger nicht, aber von Mitte Dezember bis zum Rücktritt im Februar jede Woche eine neue Folge, immer auf Basis der neuesten Vorwürfe und Entwicklungen.
    Und damals sagte Martin, für die möchte ich arbeiten. Benno entgegnete, er wolle Geld verdienen, richtiges Geld, und das könne man bestimmt nicht mit so einer Laienspieltruppe. Martin gab zurück, dass eine Laienspieltruppe wohl nicht Bach und Shekri engagieren würde, die richtig berühmt seien, der eine Bundesfilmpreisträger, der andere – das erfand Martin – habe vor Jahren mal eine Oscarnominierung gehabt. Die Chefin von ROX ist gut vernetzt, warf Cem ein, dabei ist das eine eher kleine Agentur. Eine kleine Agentur, fragte Benno zurück, mit Betonung auf ›kleine‹. Eben. Nichts für mich.
    Du bist so ein Angeber, schimpfte Martin, träumst du wirklich von deiner eigenen weltweiten Nescafé-Kampagne?
    Ey, Alter, sagte Benno, du nimmst es aber ernst. Da ist ROX vielleicht tatsächlich das Richtige für dich.
    Es dauerte Jahre, bis dieser Satz voll bei Martin ankam. Damals hielt er es einfach für eine coole Sache, er glaubte, dass schräge Low-Budget-Kampagnen wie die von ROX eine Art spielerischen Widerstand aufrechterhielten, gegen den Mainstream, gegen den undurchdringlich-kalten Uniformitätszwang der Weltmarken. Gegen das ausdruckslose Lächeln der Models, die einmal in hautengen Blumentapeten posierten, dann wieder mit entstellenden Riesenbrillen in grauleinernen Säcken, je nachdem, was die Modepäpste befahlen.
    Martin war davon überzeugt, dass alle, die sich bei spartenübergreifenden Projekten wie ROX, bei Protestbands wie MäuseMelken , bei Hinterhof-Poetry-Slams und halblegalen Elektropartys in Abbruchhäusern den Arsch aufrissen, diejenigen waren, die echte Kreativität und Humor in ein neues, besseres Zeitalter hinüberretten würden.
    Aber erst fünf Jahre später, nachdem er durch glückliche Zufälle tatsächlich zu ROX gestoßen war, nachdem er peinigend hart hatte verhandeln müssen, weil er der hochschwangeren Sabina zum zeitlich

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