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Quasikristalle: Roman (German Edition)

Quasikristalle: Roman (German Edition)

Titel: Quasikristalle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
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Lehrern, nur weil sie in ihrer Nähe standen, ging zur Toilette oder zum Mülleimer. Alles nur Schein, er zog Kreise um sie und glaubte, sie merkte es nicht. Kim und Siri, ihre Spione, berichteten, dass Alex nie mehr drüben am Zaun war, sondern so gut wie immer an der Kastanie, bei dieser Zoe und ihrer Clique. So lässt er einfach seine Freunde stehen, unglaublich, es wird ihm noch leidtun.
    Eines Tages verfolgte Theo sie fast bis nach Hause, sie hatte es gar nicht gemerkt. Er stand am U-Bahn-Ausgang und hielt ihr seine Zigaretten hin.
    Wie geht’s, fragte er, und sie sagte, danke, gut.
    Sie standen und rauchten ihre Schuhspitzen an.
    Ich hab das nicht okay gefunden, sagte er schließlich, von Alex, das wollte ich dir sagen.
    Nett von dir, sagte sie, danke.
    Mal wieder Lust auf Kino, fragte er. Sie schaute auf.
    Da muss ich nachdenken, sagte sie, trat die Kippe aus und ging.
    Vio, rief er ihr nach, Vio-mio, und ich hab geglaubt, du bist mutig. Sie blieb stehen und drehte sich um.
    Was hat das mit Mut zu tun?
    Alles hat mit Mut zu tun, rief er und lachte sein irres Lachen, das gleiche Lachen, mit dem er damals in dem Laden die Schals durcheinandergeworfen hatte, das gleiche, mit dem er den Alten im Bus ›Nazifresse‹ genannt hatte. Er stand da und lachte, und irgendwie konnte sie nicht, wie sie es vorgehabt hatte, einfach gehen. Er war nicht ganz normal, er hatte irgendeinen Schaden, aber er war unterhaltsam, und anders. Einen Moment lang verglich sie ihn mit Alex, und es schien ihr, als könnte Alex eventuell auch ein bisschen langweilig sein, mit seinen schönen Augen und der tragischen Melancholie. Komm mit, lockte Theo, komm mit mir, ich zeig dir was. Viola fragte sich, ob er bekifft war. Bei ihm konnte man das schlecht sagen. Sie folgte ihm langsam zurück, in den U-Bahnhof. Dann saßen sie auf der Bank und redeten, die U-Bahnen kamen und fuhren wieder, sie sah den freundlichen roten Rücklichtern nach, wie sie im Tunnel verschwanden. Henriette Bimmelbahn. Er erklärte ihr, wie man es machte, wo man auf keinen Fall hintreten durfte. Es ist nicht hoch, sagte er, man kommt schnell wieder raus, und sie nickte und sagte, das sehe ich, außer, man ist körperbehindert. Irgendwann wurde ihr kalt, und dann beschlossen sie, es zu machen. Viola gab ihm ihr Handy, denn sie wollte einen Beweis, auch für sich. Sie stellten sich im richtigen Abstand zueinander auf, Theo überprüfte das Bild sozusagen trocken, auf dem Bahnsteig, sie warteten auf die Bahn. Gegenüber fast keine Leute, es lief perfekt. Die U-Bahn kam, die U-Bahn fuhr wieder, sie sprangen direkt dahinter auf die Gleise, Viola schwenkte ihren Schal und machte das Victoryzeichen. Theo beugte professionell das Knie und fotografierte total gelassen, mit ihrem Handy und mit seinem. Er gab das Zeichen für ›raus‹. Beim ersten Versuch rutschte sie ab, da wurde sie einen Moment lang panisch. Ein Schwimmbeckenrand, stell dir vor, es ist einfach ein etwas höherer Schwimmbeckenrand, hatte er gesagt. Aber er war schon bei ihr und zog sie das letzte Stück zu sich herauf, mit seinen großen Händen. Dann rannten sie davon, kichernd wie die Irren.
    Den ganzen Weg, bis vor Violas Haustür, diskutierten sie, wer von ihnen das Foto an Alex schicken sollte. Sie entschieden sich für Viola, obwohl es, von Theo kommend, auch cool gewesen wäre. Theo hätte es genossen, von Alex zur Rede gestellt zu werden, aber Viola fand es besser, wenn das Ganze möglichst rätselhaft war. Alex sollte grübeln, wer der andere im Schacht gewesen war, auf unverkennbar gleicher Höhe.
    Gerade als sie sich verabschieden wollten, ging das Tor auf und Xane kam heraus, eilig und zerzaust wie immer. Hallo, sagte sie und hielt Theo ihre Hand so gestreckt hin, als wäre er eventuell nicht ganz sauber: Du bist also Alex.
    Ich bin Theo, sagte er und sah drein wie ein Teddybär. Viola kicherte, verdrehte die Augen und dachte, das glaubt einem ja keiner.
    Papas Geburtstag feierten sie in einem Restaurant, wo ein japanischer Koch auf einer heißen Platte kochte. Man saß an einem Tresen um den Koch herum. Er schwang riesige Messer durch die Luft, er hackte blitzschnell Gemüse und raspelte Fleisch. Emmy liebte es, dabei zuzuschauen, und vermutlich hatte Papa sich deshalb dafür entschieden. Zum Nachtisch aß Amos fünf gebackene Bananenspalten, kletterte danach auf Xanes Schoß und begann, ihr ein Handyspiel zu erklären, das der große Bruder seines Kindergartenfreundes einmal gespielt hatte. Die

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