Quasikristalle: Roman (German Edition)
sie damals als sinniges Begrüßungsgeschenk vom Verschlüsselungsprovider bekommen hat, kauert sich in den Schatten und ruft Jan an. Während sie erzählt, hört sie es klappern.
Die Firma, murmelt Jan, die Firma. Dieser Potsdamer Betrieb ist ihm schon einmal untergekommen, er weiß bloß nicht mehr, wo. Shanti findet das abwegig. Wahrscheinlich haben wir über jeden größeren Betrieb in der Region irgendwann etwas gelesen, sagt sie.
Aber Jan meint etwas anderes. Keine normalen Wirtschaftsdaten … eine Intrige, eine kriminelle Absprache, eine Erpressung. In der Art. Er ist sicher, dass er es wiederfinden wird, Shanti soll ihm nur ein paar Stunden geben, denn er hat gleich einen Termin.
Vergiss es, sagt Shanti, ich habe auch anderes zu tun. Irgendetwas mit der Firma, das ist mir zu vage. Sag mir lieber, ob du noch Kontakt zu der Notärztin hast, du weißt schon, auf die du so abfährst.
Jan hat. Er möchte sie allerdings nicht selbst anrufen, das könnte, in diesem Stadium, kontraproduktiv sein.
Kontraproduktiv, fragt Shanti, und was heißt Stadium? Hast du etwas mit ihr?
Na ja, sagt Jan.
Herzlichen Glückwunsch, sagt Shanti. Kann ich mich, wenn ich sie anrufe, auf dich berufen?
Sie holt eine Flasche Wasser von drinnen. Unten auf dem Platz haben sich ein paar Arbeitslose eingefunden. Sie sitzen im Schatten und spielen das Spiel mit den Münzen. Einmal hat einer, der vermutlich tagelang gewonnen und die anderen vielleicht auch ein bisschen bestohlen hatte, zwei Kartons voller Münzen in einem Einkaufswagen in den Supermarkt gefahren und versucht, eine Flasche Bier zu kaufen. Der Kassierer in seinem Glaskasten hat ihn nur ausgelacht. Das ist immer noch gültige Währung, schimpfte der Arbeitslose.
Aber im Supermarkt können sie das weder zählen noch irgendwo verstauen. Münzen sind nicht mehr in Gebrauch, obwohl sie nie offiziell für ungültig erklärt wurden. Als sich von hinten die hellblaue Security näherte, nahm Shanti dem Mann das Bier aus der Hand und bezahlte für ihn. Der Kassierer sah sie böse an und sagte in sein Mikro: Keine Tauben füttern, Mädchen.
Im Young-Leader-Netzwerk, in dem sie Mitglied ist, postet sie eine Nachricht, ob jemand Erfahrungen mit dem ›Luxury Senior Resort Kirschblüte‹ in Werder hat. Das Netzwerk ist teuer und elitär, die detaillierten und überprüften Profile sind für alle Mitglieder einsehbar. Wer sie ist und was sie macht, weiß man dort oder kann es mit einem Klick herausfinden. Deshalb müsste diese unbestimmte Anfrage reichen.
Jan ruft zurück und gibt ihr die Nummer seiner Affäre oder wie man das nennt. Sie heißt Maja Sackbauer und erwartet Shantis Anruf. Sie hat gestern Nacht keinen Dienst gehabt, würde jedoch eventuell einen Blick in den Dienstplan werfen. Als Shanti sie nach mehreren Versuchen erreicht, hat sie das bereits getan. Sie hat sogar, weil es sich unkompliziert ergeben hat, mit dem Kollegen geplaudert, der zu Tante Mia gerufen wurde. An dem Einsatz sei durchaus einiges auffallend gewesen: Der Anrufer, laut Selbstauskunft der Neffe der Frau, sei bei Eintreffen des Rettungswagens verschwunden, aber sowohl das Haustor wie die Wohnungstür seien nicht nur geöffnet, sondern mittels bunter Plastikkeile am Zufallen gehindert gewesen.
Er wollte, dass die Hilfe sie erreicht, murmelt Shanti.
Spricht beides für ihn, bestätigt Maja mit ihrer kühlen Stimme, denn er hat ja auch angerufen.
Das Merkwürdigste war, dass die Frau noch lebte. Der Anrufer habe zwar angegeben, er sei von der Arbeit nach Hause gekommen und habe seine Tante tot auf dem Teppich gefunden. Doch das stimmte nicht, ihr Puls war noch da, schwach und unregelmäßig. Für einen Laien wahrscheinlich nicht zu erkennen. Sie sei erst im Krankenhaus gestorben.
Furchtbar nett von Ihnen, sagt Shanti, ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll.
Nun übertreiben Sie mal nicht, sagt Maja Sackbauer. Und Sie wissen ja, wir haben nie miteinander gesprochen.
Als Shanti auflegt, fragt sie sich, wie die Frau wohl aussieht. Die Stimme klang blond, aschblond, kompetent-blond. Nivea-blond. Das Gegenteil von Moschus oder Kokosnuss. Während sie bisher davon überzeugt war, dass Jan auf Migrationsvordergrund steht. Vielleicht stimmt beides nicht, auch nicht, dass sie fähig ist, von Stimme und Sprache auf das Aussehen zu schließen. Man könnte sie googeln. Wie kann man nur Sackbauer heißen…
Das Smartpad blinkt, es ist Karimi. Shanti kann sich nicht erinnern, ihm ihre Nummer gegeben zu
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