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Quasikristalle: Roman (German Edition)

Quasikristalle: Roman (German Edition)

Titel: Quasikristalle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
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graviertes, nicht billiges Schild sofort anbringen. Hannelore scheint Ludwigs Schilderdiktat seit jeher nicht ganz so zu unterstützen, wie er sich wünschen würde. Obwohl sie das nie zu erkennen gegeben hat. Er ist sich da trotzdem sicher. Die beiden Frauen einigten sich provisorisch auf ein Stückchen Teppichklebeband, ein Vorschlag von Frau Molin, den Hannelore so praktisch wie vernünftig fand. Zusätzlich anschrauben könne man das Schild immer noch, Ludwig, das war doch keine schlechte Idee?
    Nein, nein, in Ordnung, brummte Ludwig müde, weil man beim Tarockieren Rotwein trank. Außerdem bekam er das Bild der eingecremten, mittelgroßen, jugendlich festen Brust seit Tagen nicht aus dem Kopf. Wie klein und spitz die Warzen waren! Wahrscheinlich war ihm deshalb beim Nachhausekommen gar nicht aufgefallen, dass Frau Molin bereits ein Namensschild hatte.
    Am nächsten Morgen nahm er die Gartenschere und stieg hinunter. Nur einen schnellen Blick wollte er werfen, weil er sich fragte, ob ein Stück Teppichkleber nicht zu dick war, das Schild also ungebührlich abstehen würde. Außerdem war sehr fraglich, ob man es gerade bekam, mit einem Klebeband. Er konnte schlecht mit seiner Wasserwaage aufkreuzen, vor der Tür der Mieterin. Dass es nicht gerade war, sah er von Weitem. Ansonsten war es blankpoliert. Ob man es, wenn sie wieder einmal tagelang verreist war, irgendwie gerade drücken konnte? Darüber sann er nach, als er, fast vorbei an der Tür, den nächsten Schlag bekam. Weitergehen, einfach weitergehen, beschwor er sich, und als er im Garten längst unsystematisch an den Rosentrieben herumzwickte, dachte er immer noch stupide und vollkommen sinnlos, weitergehen, nichts anmerken lassen, denn es war unfassbar, da stand, säuberlich graviert auf dem von Tschoch normierten Messingschild, in der verlässlichen, immergleichen Schnörkelschrift von Nalada & Söhne, da stand tatsächlich Xane Molin und Imre Bonami , untereinander. Wer zum Teufel war Imre Bonami?
    Hannelore wusste es nicht. Und sie tat allen Ernstes so, als wäre das weder überraschend noch interessant. Rechtlich ist die Sache klar, sagte sie leichthin, sie hat die Wohnung gemietet, allein. Solange sie nicht Frau Bonami wird – und selbst wenn. Sie ist doch eine amiable Person! Ludwig schüttelte den Kopf, holte das Fleisch aus dem Kühlschrank und stieg auf den Dachboden. Diesmal zog er das Füttern so in die Länge, dass es an Tierquälerei grenzte. Er lockte und trog seine Tiere, und dem stärksten Rüden, dem mit dem geheimen Namen, verweigerte er sein Stückchen so lange, bis er fauchte und mit der Tatze an den Käfig schlug.
    Am darauffolgenden Samstagabend kamen die Kinder. Er hatte Wein aus dem Keller geholt, und als er das Wohnzimmer wieder betrat, schauten sie ihm alle lachend entgegen. Niemand machte sich Mühe, zu verbergen, dass sie über ihn gesprochen hatten. Hannelore musste ihn verraten haben, das wäre nur allzu typisch, denn sobald die Kinder da sind, werden ihre Loyalitäten volatil.
    Papaa, sagte Suzanne und zog die zweite Silbe mahnend in die Länge, Imre Bonami ist ein ziemlich bekannter Zeichner, und die Molin hat gerade einen genialen, aber sehr umstrittenen Spot gemacht. Der wird dir wahrscheinlich überhaupt nicht gefallen, aber Hauptsache, sie wird auch in Zukunft ihre Miete bezahlen können. Schaut ihr eigentlich gar nicht mehr fern?
    Was für ein Zeichner, fragte Ludwig, und Ludwig junior grinste: Kein neuer Dürer, Papa, ein Cartoonist. Und wieder lachten alle, nur Hannelore spielte mit ihrer rechten Hand auf dem Tischtuch Klavier, als ob sie den Lauf der Dinge ändern wollte.
    Cartoons? Wie Donald Duck?, fragte Ludwig, der für Hannelore mit einem Mal inniges Verständnis verspürte. Sie halten einen ohnehin für vertrottelt, also bestärkt man sie darin, dann geht es wenigstens ein bisschen harmonischer zu, als wenn man sich dauernd zur Wehr setzt. Und bevor einer antworten konnte, setzte er nach: Und mit Spot ist vermutlich kein Scheinwerfer gemeint?
    Er ließ die Spiegelscherbe von nun an stecken. Das Wetter blieb trocken, keine Gefahr überfluteter Balkone. Frau Molin war meistens da. Wenn er sie traf, war sie freundlich, aber zerstreut. Die Ermahnung wegen des Namensschildes schien sie vergessen oder vergeben zu haben. Einmal war es abends unerwartet laut; sie hatte Gäste auf dem Balkon, die viel lachten und diskutierten, wie man so hörte. Zigarettenrauch stieg auf; was soll man machen, es lässt sich nicht

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