Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quasikristalle: Roman (German Edition)

Quasikristalle: Roman (German Edition)

Titel: Quasikristalle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
Vom Netzwerk:
verbieten. Ludwig wollte gerade schlafen gehen, da hörte er das Klavier. Jemand spielte, und mehrere Leute sangen dazu, nun ja, sie grölten. Das Lied kam ihm bekannt vor, wie ein alter Schlager, aber auf den Titel kam er nicht. Er schloss die Tür zur kleinen Terrasse. Hannelore bemerkte, sie sei froh, dass das Mädel keine Einsiedlerin sei.
    Dann tauchte Bonami auf, unverkennbar. Einmal betrat er hundert Meter vor ihm das Haus, ein fremder Mann mit einem Haustorschlüssel. Ludwig ging langsam, um ihn nur ja nicht einzuholen. Bonami hatte schwarze wilde Haare, die ihm in die Augen hingen, und er trug Turnschuhe sowie eine Lederjacke, von der Hannelore behauptete, sie sehe zwar aus wie vom Flohmarkt, sei jedoch von einem bekannten Designer. Auf Nachfrage gab sie zu, dass sie das von Suzanne habe. Der Mann von Madonna trage dieselbe, habe Suzanne gesagt, seither sei die Jacke berühmt.
    Als er Frau Molin und diesen Bonami zum ersten Mal gemeinsam traf, war er von dessen Herzlichkeit positiv überrascht. Bonami hob seinen schläfrigen Blick unter den Stirnfransen hervor, aber als Frau Molin ihm etwas zuflüsterte, ging ein Ruck durch ihn. Er schüttelte ihm pumpend die Hand und klopfte ihm auf die Schulter, ein bisschen aufdringlich, aber so sind wahrscheinlich die Künstler, besonders die südländischen. Bonami beteuerte, wie sehr er sich freue, Herrn Doktor Tschoch kennenzulernen, und was für ein super Haus er da habe. Und der Garten, so schön und, wie sagt man, farbenfroh? Er konnte nicht anders, als sich zu freuen. Er bemerkte den Blick des Fräuleins, forschend, beurteilend, so ein typischer Frauenblick wie der von Hannelore, wenn er sein Grödner Jesulein zeigt.
    Am Ende bot Bonami seine Hilfe an, was in jeder Hinsicht unangemessen, aber anscheinend aufrichtig gemeint war. Ich kann Rasen mähen, ich kann etwas graben, ich kann Säcke tragen, Sie brauchen sicher viel frisches Erde für die Rosen, melden Sie sich, sagen Sie Bescheid, läuten Sie einfach die Tür!
    Er schaute den beiden nach. Bonamis Akzent war minimal und charmant. Ab und zu ein Fallfehler, mehr nicht. Nach fünfzig Metern nahm Frau Molin die Hand ihres Freundes, und ein paar Schritte weiter schmiegte sie sich an ihn. Sie machte dabei einen ausgelassenen Hüpfer, und ihm fiel auf, dass sie mindestens gleich groß waren, wahrscheinlich war das Mädchen sogar eine Spur größer.
    Einmal sah er die beiden streiten. Er öffnete das Eingangstor, da standen sie, in einem merkwürdigen Abstand zueinander, als wollte Bonami gerade gehen, und Frau Molin strebte ins Haus. Als hätten sie etwas anderes vorgehabt, zusammen weg oder zusammen hinein. Beinahe hätte Ludwig Entschuldigung gesagt, irgendein Zischen hallte nach, es war allen klar, dass er zumindest den feindlichen Ton vernommen hatte. Stattdessen nickte er nur freundlich, verzichtete mühsam auf die rituelle Frage nach dem Befinden und brachte die Müllsäcke zur Tonne. Als er zurückkam, standen sie immer noch so, Frau Molins Wangen glühten, Bonami dagegen schien sich beinahe zu amüsieren. Er schloss das Tor hinter sich und stieg geräuschvoll die Stiegen hinauf.
    Im ersten Stock blieb er stehen und lauschte. Gesprächsfetzen setzten wieder ein, keine freundlichen. Wenn er schnell auf die Dachterrasse…? Das gehört sich nicht, dachte er, Spiegelscherbe. Was haben die jungen Menschen aber auch für Beziehungen. Diese beiden wohnten gewiss nicht zusammen, jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinne. Manchmal sah man ihn wochenlang nicht, viele, viele Reisen , hat er Ludwig einmal verraten, mit seinen theatralischen, vermutlich südländischen Handbewegungen. Trotzdem ließ sie seinen Namen an ihr Schild schreiben. Hat sie damit nur Ludwig ärgern wollen? Da misst er sich gewiss zu viel Bedeutung zu.
    Suzanne und Ludwig junior finden ihn hoffnungslos altmodisch, und nicht nur in diesen Dingen, aber trotzdem haben beide schnell geheiratet, als die jeweiligen Beziehungen ernster wurden. Man kann es altmodisch nennen, aber anscheinend ist etwas dran. Sonst hätten sie es nicht selbst so gemacht. Wie panisch er eine Zeitlang fürchtete, dass ihr fescher Ludwig junior ein Warmer sein könnte, hat er erfolgreich verborgen, sogar, hofft er, vor Hannelore.
    Ein andermal kam Frau Molin zu ihm in den Garten. Sie sah nicht gut aus, aber er hütete sich, das zu sagen. Stattdessen machte er ihr ein Kompliment, und sie verzog den Mund, nicht abwehrend, wie sonst, sondern nur ein bisschen skeptisch. Als er sie

Weitere Kostenlose Bücher